Depressionen werden in der täglichen Praxis häufig übersehen, obwohl sie mit einer Häufigkeit von 7 bis 12 Prozent in der Bevölkerung vorliegen. Sie gehören zu den häufigsten psychischen Erkrankungen und sind im Kollektiv der Diabetiker etwa doppelt so häufig wie bei Nicht-Diabetikern. Ein spezielles Therapieproblem wird bei depressiven Diabetikern regelmäßig beobachtet, nämlich dass die Blutzuckerregulierung schwieriger ist und die regelmäßige Anwendung der Diabetesmedikation in einer depressiven Episode oft vergessen wird.
Mangelhafte eingestellte und stark schwankende Blutzuckerwerte sind nicht nur aufgrund der Unterzuckerungsgefahr (Hypoglykämie) bedrohlich, sondern verschärfen auf längere Sicht gesehen auch die Spätkomplikationen des Diabetikers. Dazu gehören das Auftreten eines Bluthochdrucks, Gefäß-Schädigungen und Herzerkrankungen wie beispielsweise Angina pectoris. Typische Komplikationen des Diabetes sind auch als diabetische Retinopathie (nachlassende Sehkraft/Erblindung) bekannt, sondern auch als Nierenschädigung oder Störung der peripheren Durchblutung (periphere arterielle Verschlusskrankheit, PAVK) mit dem Risiko einer Fußamputation.
Während praktisch bei fast 25 Prozent der Diabetiker auch depressive Episoden auftreten, wird aber bei jedem achten Diabetiker eine klinisch manifeste Depression festgestellt. Dies deutet darauf hin, dass zweifelsohne die Diagnose eines Diabetes mellitus als Risikofaktor für das Auftreten einer Depression gewertet werden sollte. Es spiegelt sich auch in den aktuellen Studienergebnissen wieder, dass von einem zweifach erhöhten Risiko für Depressionen auszugehen ist, wenn der Patient gleichzeitig unter einem Diabetes mellitus leidet.
Mit der Voraussetzung einer korrekten und regelmäßigen Kontrolle des Blutzuckers und einer auf den aktuellen Blutzuckerwert abgestimmten therapeutischen Reaktion sind die Patienten in der Depression oft überfordert, weil Interesselosigkeit und Freudlosigkeit den Tagesablauf begleiten. Es resultiert daraus ein Teufelskreis, weil der schlecht eingestellte Diabetes die Depression verschlechtert, und je ausgeprägter die Depression ist, umso weniger lässt sich der Blutzuckerwert gut einstellen. Daraus resultiert das gesamte Spektrum diabetischer Folgeerkrankungen und deren Komplikationen, die einerseits die Organfunktion beeinträchtigen und andererseits die Lebensqualität schmälern.
Jeder Diabetiker, der die Zeichen einer psychischen Verstimmung oder depressiven Episode an sich selbst bemerkt, sollte unbedingt den Arzt darüber informieren. Zu den Kardinalsymptomen der Depression werden Einschlaf – oder Durchschlafstörungen
gerechnet, es gehört der Interessenverlust an Dingen, die einem wichtig waren, dazu, sowie ein sozialer Rückzug aus dem Freundes-, Kollegen- oder Familienkreis.
Depression kann sogar Schmerzen verursachen, die aber schwer zu definieren sind und die keine organische Ursache erkennen lassen. Ist der Arzt nicht über den psychischen Zustand informiert, wird er intensiv nach diabetologischen Ursachen des Schmerzes forschen. Die erfolglose Suche nach möglichen Ursachen macht den Arzt ratlos, die Patienten ängstlich und das Gesundheitssystem arm.