Nach einer Umfrage bei 600 Fachärzten in fünf EU-Ländern und den USA ist das Vertrauen in die differenzierte Hormonersatztherapie zur Behandlung nicht verloren – im Gegenteil: 96 Prozent von 600 Befragten würden sich oder ihren Familienmitgliedern bei entsprechender Symptomatik nach wie vor Hormone verordnen, um die eingeschränkte Lebensqualität zu normalisieren.
Fünf Jahre nach den verstörenden ersten Ergebnissen der WHI-Studie und pünktlich zum Weltmenopausetag hat die International Menopause Society (IMS) die Datenlage reevaluiert und sieht für die Hormonersatztherapie bei frühzeitigem Beginn mit möglichst niedriger Dosierung ein günstiges Sicherheitsprofil.
Die jüngsten Auswertungen der Women`s Health Initiative (WHI) haben gezeigt, wie wichtig der Altersfaktor und der Start einer Therapie beim Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse ist:
Die Hormontherapie in der frühen Postmenopause steigert das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen nicht, wie die Ergebnisse bei 50-59-jährigen Frauen zeigen.
Die Gesellschaft hat deshalb in einer konzertierten Aktion die länderspezifischen Gesundheitsbehörden zum Weltmenopausetag aufgefordert, die pauschalen Einschränkungen bei der Verordnung von Hormonpräparaten aufzuheben und an die neue Datenlage anzupassen.
Für Dr. David Sturdee aus Birmingham erfordert das Thromboserisiko eine differenzierte Sicht. Es steigt sowohl mit dem Alter an als auch bei der Gabe oraler Präparate. Bei transdermaler Zufuhr von Estrogenen dagegen laufen selbst Risikopatientinnen, bei denen Hormonersatztherapie zwar die Ausnahme bleiben sollte, keine verstärkte Thrombosegefahr, wie die französische ESTHER-Studie ausweist. Traditionell werden in Frankreich transdermale Estrogen-Präparate wie Gele (etwa Gynokadin® Dosiergel) und natürliches Progesteron als Gestagenkomponente bevorzugt.
Zusätzlich plädierte der Referent dezidiert dafür, die Risiken der Hormone in Relation zu sehen: “Wenn die Hormonersatztherapie bei symptomatischen Frauen in der frühen Postmenopause begonnen wird, haben sie durch die Behandlung kein höheres Brustkrebsrisiko als eine Frau, die im Alter von über 30 Jahren erstmals schwanger wird.”“
Diese Sachverhalte erscheinen den betreuenden Fachärzten durchaus bewusst zu sein, wie die Umfrage der IMS bei 600 Fachärzten nahe legt. Die Empfehlung, bei der Hormonersatztherapie generell die niedrigste wirksame Dosis einzusetzen, stieß auf breite Zustimmung. Am deutlichsten ausgeprägt war diese Einschätzung hinsichtlich der Gestagene in Schweden. Bei der Estrogen-Komponente sehen vor allem polnische und französische Gynäkologen die niedrige Dosierung als wichtig an.
Wie Professor Martin Birkhäuser aus Bern ausführte, liegt der „untere Schwellenwert“ für orales Estradiol bei 0,5 mg/die, für Pflaster bei 25 µg/die und beim Gel sind selbst mit niedrigeren Dosen Effekte auf die Symptome nachgewiesen. Er empfiehlt eine individuelle Anpassung, bei der die niedrigste effektive Dosis „titriert“ wird. Dies ist in der täglichen Praxis am einfachsten umzusetzen mit einem Dosiergel – jede Frau kann die notwendige Dosis anhand der zurückgehenden Symptome sehr einfach selbst herausfinden. Dies ist auch zum Aussschleichen der Behandlung vorteilhaft.
Es besteht jedoch kein Konsens, ob eine Hormontherapie graduell zurückgenommen wird oder aber abrupt abzusetzen ist.
Als vorschnellen Rückschluss wertete Sturdee das Postulat eines kausalen Zusammenhangs zwischen dem Rückgang der Hormonverordnungen und einer reduzierten Inzidenz von Brustkrebs in den USA: Einerseits habe der Rückgang der Brustkrebsfälle in den USA bereits vor der Publikation der WHI begonnen und anderseits zeige sich in Großbritannien keine vergleichbare Reduktion – trotz einem ähnlich starken Rückgang der Verschreibung von Hormonen.
Quelle: Pressekonferenz der International Menopause Society