Die Lücke zwischen der alten Biologie des Menschen und der Evolution zur modernen Wohlstandgesellschaft ist gefüllt mit Zivilisationskrankheiten. Diese Ansicht vertritt Professor Detlev Ganten von der Charité und Präsident des World Health Summit. Als wichtigstes Medikament gegen die Zunahme von Hochdruck, Übergewicht, Adipositas, Diabetes und viele andere mehr bezeichnet er regelmäßige und ausreichende körperliche Bewegung.
Seit langer Zeit verordnen die Mediziner bei vielen Erkrankungen keine absolute Schonung und Bettruhe mehr. Das liegt an der Erkenntnis, dass Bewegung einige Medikamente komplett oder teilweise ersetzen kann. Dabei werden durch Bewegung nicht nur die Symptome einer Erkrankung therapiert, sondern vielfach auch die Ursachen behoben. So kann die Muskelzelle eines Diabetikers durch regelmäßiges Training wieder lernen, die Glukose aus dem Blut in die Zellen zu transportieren. Damit wird eine gestörte Glukosetoleranz beseitigt, was mit Medikamenten bisher noch nicht gelungen ist.
Immer noch wird aber die körperliche Aktivität und Bewegung als Therapie zu wenig berücksichtigt, so die sportmedizinischen Experten anlässlich ihren Jubiläumskongress „Hundert Jahre Sportmedizin“ in Berlin. Obwohl sich bei vielen Ärzten eine positive Einstellung zu dieser Therapiemaßnahme eingestellt hat, wird sie dennoch zu selten eingesetzt.
Es gibt keinen Zweifel an den positiven Effekten des Sports und der regelmäßigen körperlichen Aktivität. Vielleicht liegt die zögerliche Anwendung zur Therapie in den seit Jahren knappen Ressourcen des Gesundheitssystems, vielleicht aber auch in Bedenken, dass eine Überversorgung stattfinden könnte. Viele diagnostische und therapeutische Konzepte werden durch Behandlungsprinzipien wie Lebensstiländerung und körperliche Bewegung aber bereichert.
Plädiert wurde auf dem Kongress der Sportmediziner für eine verbesserte Ausbildung der Studenten in dieser Disziplin und der praktizierenden Ärzte zur Prävention. Mediziner sind ein wichtiger Multiplikator und können in der Bevölkerung über die Risiken der Zivilisationskrankheiten informieren und zur Lebensänderung motivieren.
In der universitären Ausbildung und der Präventionsmedizin müssen zementierte Strukturen aufgebrochen werden. Bewegung ist als ernstzunehmende Therapiemaßnahme zu akzeptieren und ermöglicht messbare sowie positive Effekte in der Bevölkerung. Das American College of Sports Medicine hat mit einer Initiative „Exercise is Medicine“ in den USA einen großen Erfolg erreicht, um die therapeutische Anwendung der Bewegung durchzusetzen. Vergleichbare Maßnahmen sollen nun auch in Deutschland etabliert werden.