Nicht selten nehmen mit dem Lebensalter auch die Erkrankungen zu. Damit verbunden ist auch eine vermehrte Verordnung von Arzneimitteln, die von Ärzten unterschiedlicher Fachrichtungen für erforderlich gehalten, aber selten miteinander abgestimmt werden.
Die Quintessenz daraus ist: je älter die Patienten werden, umso mehr Medikamente nehmen sie ein. So kann die Zahl der täglichen Tablette zwischen fünf und 20 Stück liegen, und dies ist im Alter keine Seltenheit, sagte Professor Hans Jürgen Heppner auf dem Kongress der Deutschen Gesellschaft für Geriatrie. Die Kunst der Ärzte soll sich daher nicht nur auf die Verordnung von Medikamente konzentrieren, sondern viel wichtiger ist es, eine Multimedikation für den Patienten verträglich zu halten und zu Gunsten der Gesundheit auch zu reduzieren.
Als eine wesentliche Folge der Über-Medikation mit potenziell nicht adäquaten Substanzen betrachtet er die Stürze vieler älterer Patienten. Ein Sturz im höheren Lebensalter zieht häufig eine deutliche Verschlechterung des allgemeinen Gesundheitszustands nach sich, und daher sollte das Risiko vermieden werden.
Nicht nur die Krankenhauseinweisungen aufgrund von Stürzen haben zugenommen, sondern auch die Zahl der Stürze im Krankenhaus selbst. Um in diesem Kollektiv die Sicherheit zu erhöhen, ist die konsequente Reduzierung inadäquater Medikamente notwendig, so eine aktuelle Studie, die vor allem Beruhigungs- und Schlafmittel für die hohe Sturzrate im Alter verantwortlich macht.
Um speziell die „potentiell inadäquaten Medikamente“ zu erkennen, sind Screening-Tools entwickelt worden, wie beispielsweise die PRISCUS-Liste, die insgesamt 83 Medikamente aus 18 Arzneistoffklassen als inadäquat für älter Patienten identifiziert.
Eine retrospektive Fall-Kohortenstudie untersuchte die Medikation von 212 geriatrischen Patienten, die gestürzt waren und vergleicht diese mit 636 Patienten, die keine Stürze erlitten. Die beiden Gruppen waren hinsichtlich der Diagnose, der Verweildauer in der Klinik und weiterer Kriterien vergleichbar. Die Auswertung der Daten ergab, dass eine Multimedikation von fünf und mehr Medikamenten mit einem erhöhten Sturzrisiko einhergeht. Wurden Benzodiazepine wie Tetrazepam, Lorazepam oder Zopiclon eingenommen, traten die Stürze signifikant häufiger auf. Diese Stoffe sind bei geriatrischen Patienten mit Vorsicht anzuwenden, und es sollte geprüft werden, ob eine Anwendung von Alternativen zur Verfügung stehen.
Für Hausärzte sind diese Informationen besonders wichtig, so der Kongresspräsident der Deutschen Gesellschaft für Geriatrie, Heppner. Er empfiehlt den Hausärzten die Medikamente ihrer Patienten kritisch zu überprüfen, auch wenn diese im Krankenhaus verordnet wurden. Die Angehörigen oder die Patienten können den Arzt um eine Überprüfung der Medikamentenliste bitten. Der Arzt ist dann in der Lage zu bewerten, ob die Medikation angemessen ist und kann die Substanzen an die Situation des geriatrischen Patienten anpassen. „Zu viele Medikamente schaden eher, als dass sie nutzen. Dieses Bewusstsein sollte bei Ärzten und Patienten geweckt werden.