Bei den meisten Verbrennungsprozessen entstehen Rauchgase, die schädlich für Menschen und Tiere sind. Giftiger Rauch entwickelt sich u.a. auch bei Wohnungsbränden aus verbrennenden Materialien, es entsteht ein sehr giftiges Rauchgemisch, das Kohlenmonoxid und Cyanid enthält. Die nach einem Wohnungsbrand zu beklagenden Opfer sind weniger an den Folgen der Verbrennung gestorben, sondern sehr häufig einer Rauchgasvergiftung zum Opfer gefallen.
Bei einem Wohnungsbrand befinden sich im Rauch neben Staubpartikeln wie Ruß, Flugasche und nicht verbranntes Material auch Dämpfe, die aus den synthetischen Substanzen der Baumaterialien, den Teppichböden und Polstermöbeln, Kabelsträngen sowie den unterschiedlichen Dekorationen einer Wohnung bei der Verbrennung freigesetzt werden. Aber auch die als natürlich eingeordneten Substanzen wie Papier, Wolle oder Seide können, während sie verbrennen, Cyanid freisetzen.
Die giftigen Gase eines Wohnungsbrandes werden auch Brandgase genannt, weil sie Kohlenmonoxid und Cyanid enthalten. Diese Rauchgase führen nach ihrer Inhalation bereits innerhalb von 30 Sekunden zur Bewusstlosigkeit, sie verursachen während einer drei bis fünf-minütigen Exposition einen Atemstillstand, und ein Herzstillstand tritt schon nach fünf bis acht Minuten ein. Die Mehrzahl der tödlichen Brandunfälle sind demnach nicht den Brandwunden der Haut, sondern dem Einatmen der giftigen Gase wie Cyanid zuzuordnen. Das Brandgas Cyanid ist mehr als zwanzig Mal giftiger als Kohlenmonoxid, obwohl viele Menschen und auch die Rettungskräfte der Feuerwehr immer zuerst an eine Kohlenmonoxid-Vergiftung denken. Vielleicht ist dies auf die größere Bekanntheit von Kohlenmonoxid zurückzuführen, weil dieses Rauchgas aus den Abgasen des Automobils immer wieder zum Selbstmord genutzt wird.
Bei den meisten Opfern einer Rauchgasvergiftung muss wahrscheinlich von einer Mischintoxikation aus Kohlenmonoxid und Cyanid ausgegangen werden.
Warum diese Rauchgase so rasch tödlich wirken, erklärt sich aus der dadurch gestörten Funktion der Körperzellen. Diese benötigen und produzieren permanent Energie, die aus einem Stoffwechselschritt gewonnen wird, bei dem Adenosin-Di-Phosphat (ADP) durch Phosphorylierung zu Adenosin-Tri-Phosphat (ATP) als Energie liefernde Verbindung hergestellt wird.
Nach dem Einatmen von Cyanid lagern sich die Cyanid-Ionen an die Energie produzierenden Kraftwerke (Mitochondrien) in der Zelle an. Dadurch wird die Energieproduktion, die Phosphorylierung des ADP zu ATP gehemmt und die Zelle gerät in eine unmittelbare Sauerstoffnot. Alle zellulären Oxidationsprozesse kommen zum Stillstand, es kommt zu einer inneren Erstickung.
Als erste Symptome treten Übelkeit, Erbrechen und Kopfschmerzen auf, aber schon nach wenigen Minuten stellen sich Verwirrtheit und Desorientierung als Zeichen einer Bewusstseinsstörung ein. Ein Engegefühl in der Brust wird von Atemstörungen (zunächst schnelle Atemzüge, später zunehmend verlangsamte Atmung) begleitet, die innerhalb weniger Minuten zum Atemstillstand führen. Der Blutdruck reagiert auf den Stress der akuten Sauerstoffnot zunächst mit einem raschen Blutdruckanstieg, der im weiteren Verlauf wiederum stark abfällt und einen Herz-Kreislaufkollaps nach sich ziehen kann. Mit Krampfanfällen, dem später das Koma folgt, wird auch das Zentralnervensystem in das Geschehen einbezogen.
Nach jedem Brand in geschlossenen Räumen muss bei den Betroffenen damit gerechnet werden, dass sie eventuell Rauchgase eingeatmet haben. Aufgrund der rasch eintretenden Vergiftung durch Cyanid bleibt keine Zeit um festzustellen, welche Mengen des Giftes eingeatmet wurden. Da es auch keinen schnellen und vor Ort verfügbaren Bluttest zum Nachweis von Cyanid gibt, muss auf Verdacht gehandelt werden. Die Diagnose kann nur aufgrund des klinischen Bildes erfolgen.
Die Notfallmaßnahmen müssen so schnell wie möglich vor Ort eingeleitet werden:
Diese umfassen
Das Freihalten der Atemwege,
Die Gabe von Sauerstoff- und Flüssigkeit,
Stabilisierung des Herz-Kreislaufsystem und
Behandlung der Krampfanfälle.
Ist das Unfallopfer mit dem Gift über die Haut in Berührung gekommen, sollte die kontaminierte Kleidung entfernt und die Haut des Brandopfers gründlich von Spuren gereinigt werden.
Um den Betroffenen aber effektiv vor den Folgen einer Cyanidvergiftung zu schützen, sollte auch im Verdachtsfall sofort ein Gegengift (Antidot) verabreicht werden, mit dem das bereits in den Organismus eingedrungene Cyanid neutralisiert wird. Dies ist durch die rasche Gabe von Hydroxocobalamin als Infusion möglich, da sich diese Substanz direkt mit dem im Körper befindlichen Cyanid verbindet. Es entstehen dabei eine stabile ungiftige Substanz und Wasser, die beide über die Nieren ausgeschieden werden. Diese Substanz, die auch im Verdachtsfall verabreicht werden kann sollte den Rettungskräften zur Verfügung stehen, weil dadurch das Brandopfer sicher vor dem inneren Erstickungstod gerettet werden kann.
Weitere Informationen zum Thema Cyanidvergiftung und Rauchgas finden Sie unter www.cyanidvergiftung.de