Jedes Jahr müssen in Deutschland nahezu 170.000 künstliche Kniegelenke ersetzt werden. Die Deutsche Gesellschaft für Endoprothetik sieht eine der wesentlichen Ursachen im zu hohen Körpergewicht und bezeichnet die Komplikationen als eklatant steigend bei Menschen mit einem Body Mass Index jenseits von 30 kg/qm. Es treten häufiger Wundheilungsstörungen und Infektionen in diesem Kollektiv auf; nicht selten bedarf es einer erneuten Operation.
Einige dieser Eingriffe könnten verhindert werden, so Professor Karl-Dieter Heller, Chefarzt am Herzogin Elisabeth Hospital in Braunschweig. „Übergewicht schädigt die Kniegelenke und ist einer der Hauptgründe für die Entwicklung einer Arthrose“, so der Experte. Je höher der BMI, umso schneller schreitet der schmerzhafte Gelenkverschleiß im jungen Lebensalter voran. Nur fünf Kilo Übergewicht verdoppeln das Risiko einer Knie-Arthrose, die mit fortschreitender Abnutzung der Gelenkknorpel einhergeht und früher oder später in die Chirurgie führt.
Mehr als 65 Prozent der Männer und über 50 Prozent der Frauen im Erwachsenenalter sind hierzulande übergewichtig mit einem BMI von mehr als 25 kg/qm. Ab einem BMI von 30 kg/qm sprechen die Experten von einer Adipositas, die wegen des übermäßig hohen Gewichts einen echten Krankheitswert erreicht. Es wird eine Arthrose im Laufe des Lebens kaum zu vermeiden sein, und die Anzahl der Knie-Endoprothesen wird immer weiter steigen.
Besorgnis rufen die in diesem Kollektiv vorliegenden Mehrfacherkrankungen hervor, weil Herz-Kreislauferkrankungen und Diabetes mit Adipositas auftreten. Dadurch werden der Körper und das Immunsystem geschwächt und den OP-Komplikationen und Infektionen nach einer Operation der Weg bereitet. Die Präzision der Operation kann durch die großen Fettanteile behindert sein, und die viel schlechter durchblutete Fettgewebe-Region neigt zur Wundheilungsstörung, die wiederum zum Nährboden einer Infektion werden kann.
Daher geht die Empfehlung an Patienten mit Adipositas und Kniearthrose, vor dem OP-Termin das Körpergewicht zu reduzieren, die Muskulatur zu trainieren und allgemein etwas für ihre Fitness zu tun. Professor Florian Gebhard, Präsident der Gesellschaft für Endoprothetik von der Universitätsklinik Ulm empfiehlt ein schonendes Training, beispielsweise per E-Bike. Er bestätigt den Vorteil eines künstlichen Kniegelenks für übergewichtige und adipöse Menschen, wenn im Vorfeld alle konservativen Möglichkeiten wie Physio- oder Schmerztherapie ausgeschöpft sind. Auch nach der Operation gehört die regelmäßige Gewichtskontrolle und Fortsetzung der körperlichen Aktivität zu wichtigen Hausaufgaben des Patienten, weil auch das künstliche Gelenk von geringerer Gewichtbelastung und gestärkter Muskulatur profitiere.