Auf der ganzen Welt werden derzeit Studien durchgeführt, um neue Erkenntnisse über die Assoziation von Mikrobiom, kurzkettigen Fettsäuren und entzündlichen Erkrankungen an den Grenzflächen des menschlichen Körpers zu entschlüsseln.
Als Grenzflächen gelten in erster Linie die Haut als größtes Organ des Menschen, und die Schleimhaut von Atemwegen und Lunge sowie im Verdauungstrakt. Die Verdauung im Mund beginnt mit der groben Zerkleinerung der Nahrung, die so den Kontakt zu enzymatischen Prozessen erhält. Mit dem Schlucken beginnt der Weg über die Speiseröhre, den Magen und durch alle Darmabschnitte bis zur völligen Aufspaltung in die Nährstoffe, die dem Organismus verfügbar werden.
Die Ursache unterschiedlicher Allergien könnte im Darm begründet sein, wo eine kommensale Besiedlung von Bakterien und Mikroorganismen existiert, die aus unverdaulichen Faserstoffen der Nahrung, sogenannten Ballaststoffen, kurzkettige Fettsäuren produzieren können.
Heuschnupfen, Asthma, Neurodermitis oder Lebensmittelunverträglichkeit spielen sich als Entzündungen an den Grenzflächen ab, gegen die kurzkettige Fettsäuren zur therapeutischen oder lindernden Behandlung geeignet erscheinen.
Allergien nehmen konstant zu und sind weit verbreitet in Deutschland. Nach Angaben des Robert Koch-Instituts leiden immer mehr Kinder und Jugendliche hierzulande an solchen allergischen Reaktionen; mittlerweile seien ein Viertel aller unter 18-Jährigen davon betroffen.
Kurzkettige Fettsäuren (Essigsäure, Buttersäure und Propionsäure) werden von speziellen Bakterien der Darmbesiedlung mit Hilfe von Faserstoffen aus der Nahrung produziert.
Das Mikrobiom im Darm wird durch unverdauliche Ballast-Stoffe (Faserstoffe) ernährt.
Die Deutsche Gesellschaft für Allergologie und klinische Immunologie stellt fest: „dass bei allergischen Kindern gerade diejenigen Bakterien fehlen, die zur Produktion kurzkettiger Fettsäuren befähigt sind.“ Voraussetzung für eine ausreichende Versorgung des menschlichen Organismus mit kurzkettigen Fettsäuren ist demnach die Verfügbarkeit von Ballaststoffen aus Pflanzenfasern. Heutzutage ist die Ernährung eher arm an Ballaststoffen, so dass die wichtigen und schützenden Mitbewohner nicht in ausreichender Zahl im Darm vorhanden sind und kurzkettige Fettsäuren vom Mikrobiom kaum noch gebildet werden können.
Schweizer Wissenschaftler untersuchten Stuhlproben von mehr als 300 einjährigen Kindern und stellten einen signifikanten Zusammenhang zwischen der Ernährung und dem Gehalt an kurzkettigen Fettsäuren der Kinder fest. Sie konnten auch belegen, dass Kinder mit den höchsten Propionat und Butyratwerten (Salze der Propion- und der Buttersäure) ein deutlich geringeres Allergierisiko aufweisen und deutlich seltener an Asthma erkranken zwischen dem 3. und 6. Lebensjahr.
Ein gesundes Mikrobiom ist mit einer hohen Diversität (Vielfalt) der Bakterien im Darm gekennzeichnet, definiert von der Art und der Menge der Darmbewohner. Je gesünder die Ernährung, umso größer ist die Bakterienvielfalt, und umso besser können schützende Fettsäuren produziert werden, die im Körper die regulatorischen T-Zellen als Antwort auf Allergene stimulieren, die falsche Signale an das Immunsystem senden. Die regulatorischen T-Zellen unterstützen die Toleranz des Immunsystem gegen diese Angreifer, und wirken reduzieren die entzündlichen T-Zellen. Damit schützen sie den Organismus davor, dass Allergene zu allergischem Heuschnupfen oder Asthma führen.
Weltweite Studien nutzen die neuen Erkenntnisse zum Mikrobiom und dessen Assoziation zu kurzkettigen Fettsäuren oder Allergie-Entstehung zur Entwicklung neuer therapeutischer Strategien. Es soll untersucht werden, ob die Produktion oder Zufuhr freier Fettsäuren in das allergische Geschehen eingreifen kann. „Denkbar wäre, das Mikrobiom durch Bakterienzufuhr zu fördern, die Ballaststoffe aus der Nahrung verdauen können und kurzkettige Fettsäuren produzieren. Vielleicht könnten damit Allergien verhindert werden,“ so Professor Harald Renz, Direktor des Instituts für Labormedizin, Pathobiochemie und Molekulare Diagnostik an der Universitätsklinik Marburg.