In Deutschland leidet jeder vierte Erwachsene an starkem Übergewicht und nahezu jeder 10. Bundesbürger erkrankt an Typ 2-Diabetes im Laufe seines Lebens. Zweifelsohne besteht ein konkreter Zusammenhang zwischen dieser Stoffwechselerkrankung und dem erhöhten Körpergewicht. Die Frage nach den pathophysiologischen Ursachen ist nach Ansicht der diabetologischen Experten mit der chronisch systemischen Entzündung zu beantworten, die von den Adipozyten ausgeht.
Auch scheinen die genetische Ausstattung und die Diversität des Darmmikrobioms eine ausgesprochen wichtige Rolle sowohl bei der Entwicklung des Übergewichts als auch bei der Entstehung eines Diabetes mellitus-Typ 2 zu spielen. Die Deutsche Diabetes Gesellschaft rät den Betroffenen zu einer individuellen Lebensstilverbesserung, um das Körperfett abzubauen.
Im ungünstigen Fall werden überschüssige Kalorien in den Fettzellen gespeichert, und damit erhält das Immunsystem ein Signal zur Entzündungsreaktion. Makrophagen werden vermehrt gebildet und im weiteren Verlauf treten auch andere Immunzellen auf, wie z.B. vermehrte Lymphozyten. Aufgrund der Botenstoffe aus den Zellen des Immunsystems wird der normale Glukosestoffwechsel gestört. Insulin wird zwar anfangs noch von der Bauchspeicheldrüse freigesetzt, aber das Hormon verliert zunehmend seine Wirkung mit der Folge einer sich ausbildenden Insulinresistenz.
Wir sprechen in solchen Fällen von einer metabolischen Entzündung, erklärt Professor Matthias Laudes, Leiter der Endokrinologie, Diabetologie und Ernährungsmedizin des Universitätsklinikums in Kiel. Hier zeigen die Forscher anhand der Aufnahmen einer Magnet-Resonanz-Tomografie, dass es bei einigen Betroffenen auch im Hypothalamus zu einer Inflammation kommt. Da sich in diesem wichtigen Steuerzentrum für Hunger und Sattheit des vegetativen Nervensystems befindet, könnte auch darin eine Erklärung für starkes Übergewicht zu finden sein. Die Entzündung im Gehirn wird auch von bestimmten Genvarianten beeinflusst, so Laudes. Den Zusammenhang stellt er zum Leptin her, einem von den Fettzellen freigesetzten Hormon, welches das Sättigungsgefühl vermittelt. Sollte die entzündliche Aktivität im Gehirn die Wirkung von Leptin nicht aufnehmen, ruft dies eine Leptin-Resistenz hervor, mit der Konsequenz, dass der Sättigungsmechanismus nicht ausgelöst wird, der Betroffene jederzeit Essen möchte, insbesondere mehr essen wird, weil das Sattsein nicht auftritt.
Der Zusammenhang mit dem Mikrobiom des Darmes und den Pathomechanismen des Übergewichts erhärtet sich durch den Nachweis einer vermehrten Entzündungsreaktion im Hypothalamus bei einem Mangel bestimmter Darmbakterien, was als Dysbiose bezeichnet wird. „Weitere Studien würden zeigen, ob Probiotika die Entzündungen im Fettgewebe und Gehirn zu reduzieren vermögen und die Entwicklung zu Diabetes mellitus verhindert werden kann“, prognostiziert der Kieler Experte. Eine therapeutische Möglichkeit der Entzündung vorzubeugen, könnte darin bestehen die Botenstoffe des Immunsystems (Interleukin 1 und Interleukin 6) mithilfe von Antikörpern zu hemmen. „Erste Studien zeigen bereits eine Verbesserung des Blutzuckerspiegels und möglicherweise eine Prävention der Gefäßverkalkung“, so Laudes.
Als oberste Präventionsmaßnahme gilt es aber nach wie vor, mit dem Betroffenen den ungesunden Lebensstil aus falscher Ernährung, reduzierter körperlicher Aktivität und konsekutiv krankmachender Stoffwechselprozesse zu unterbrechen. „Allerdings müssen gesundheitspolitische verhältnispräventive Maßnahmen greifen, um das gesamte Umfeld der Gefährdenden gesünder zu gestalten und das Abnehmen zu erleichtern, sagte die Präsidentin des DDG, Professorin Monika Kellerer.