Verordnet Ihnen Ihr Arzt ein Medikament, muss er nicht nur den therapeutischen Nutzen beurteilen, sondern auch die Überlegung mit einbeziehen, inwieweit das Präparat eine sensibilisierende Wirkung auf Sie ausübt. Denn: Grundsätzlich kann jedes Medikament alle Formen einer allergischen Reaktion bewirken. D.h., es können Sofortwirkungen (Typ I), direkte Zellschädigungen (Typ II), Schädigung durch Antigen-Antikörper-Verbindungen (Typ III) sowie die Allergie vom Spättyp auftreten.
Eine allergische Reaktion bedeutet, dass das Immunsystem des betroffenen Menschen beim Kontakt mit einem bestimmten Allergen, im diesem Fall ein Arzneimittel-Inhaltsstoff, spezielle Antikörper produziert, die gegen diesen Stoff gerichtet sind. In der Folge kann es zu unterschiedlichen Beschwerden wie Fließschnupfen (Rhinitis), Hauterscheinungen (Ekzeme), Nesselsucht (Urtikaria), Atemnot (Asthma), Schwellungen bestimmter Körperteile (z.B. Lippen) oder auch Beschwerden im Magen-Darm-Trakt kommen. Dabei spielt es keine Rolle, in welcher Darreichungsform das Medikament eingenommen wurde. Spritzen, Zäpfchen, Sprays oder Tabletten – alle kommen als mögliche Auslöser in Frage.
Damit aber noch nicht genug! Bei den vielfältigen Reaktionen auf Arzneimittel muss zusätzlich zwischen “tatsächlichen” allergischen Reaktionen und “Pseudoallergien”, d.h. Unverträglichkeitsreaktionen (Intoleranzsyndrom) unterschieden werden. Bei dieser Form ist das Immunsystem nicht beteiligt und es werden auch keine Antikörper gebildet.
All diese Wirkungen machen die Diagnosestellung extrem schwierig. Oft ist es nämlich nicht die Tablette oder der Saft, der die Reaktion auslöst, sondern Arzneimittelhilfsstoffe, Bestandteile der Zubereitung, Konservierungsstoffe oder gar die chemische Umwandlung des Wirkstoffs in Ihrem Körper.
Eine der am besten dokumentierten Arzneimittelallergien ist die gegen Penicillin. Es dient gewissermaßen als Lehrsubstanz, an der die meisten Erfahrungen zu Arzneimittelallergien gesammelt wurden. Heute tritt gerade die Penicillinallergie aber gar nicht mehr so häufig auf, weil man aus der Erfahrung heraus Penicillin z.B. als Lokaltherapeutikum (Salben usw.) nicht mehr einsetzt.
Bevor ein Verdacht auf eine Arzneimitteltherapie überhaupt aufkommt, kann lange Zeit vergehen. Es gibt kaum typische Zusammenhänge zwischen dem auslösenden Arzneimittel und dem resultierenden Krankheitsbild. Erschwert wird die Diagnose durch die Tatsache, daß die wenigsten der Patienten nur ein Medikament einnehmen. Allergietests verlaufen in vielen Fällen negativ, obwohl eine “echte” allergische Reaktion tatsächlich aufgetreten ist. Die Ursache liegt eben in der Vielfalt der auslösenden Möglichkeiten, wie Hilfsstoffe oder Verstoffwechslung im Körper. Ein sogenannter RAST, ein Bluttest, gibt noch am ehesten Hinweise auf eine Allergie.
Auch wenn praktisch jedes Arzneimittel allergische oder Unverträglichkeitsreaktionen auslösen kann, kennt man heute doch eine Reihe von Stoffen, bei denen das Risiko erhöht ist.
Wenn Anamnese und Symptomatik den Verdacht auf eine Arzneimittelallergie oder -unverträglichkeit ergeben, sollten Sie das betreffende Medikament nicht mehr anwenden. Ihr Arzt muss dann prüfen, ob ein Ausweichpräparat zur Verfügung steht. Dabei muss natürlich immer der Nutzen durch die Therapie gegenüber den Risiken abgewogen werden.
Auf jeden Fall aber wird Ihnen Ihr Arzt einen Allergiepass ausstellen, den Sie immer mit sich führen sollten. Bei Unfällen oder in Krisensituationen kann damit schnell erkannt werden, was Sie brauchen und was Ihnen schadet. Tragen Sie den Pass leicht auffindbar in Ihrer Brieftasche oder im Geldbeutel. Zeigen Sie den Pass auf jeden Fall bei allen weiteren Arzneimittelverordnungen dem Arzt oder – bei Medikamenten, die Sie sich selbst in der Apotheke kaufen – auch dem Apotheker.
Eine allergische Reaktion wurde auch häufig nach Gabe von Röntgenkontrastmitteln gesehen. Hier hat sich bei Risikopatienten die prophylaktische (vorsorgliche) Gabe eines Antihistaminikums als geeignete Gegenmaßnahme erwiesen.
Provokationstests mit der “angeschuldigten” Substanz sollten Sie nur in einer Facharztpraxis oder – noch besser – unter stationären Bedingungen durchführen lassen. Hier besteht nämlich ein erhebliches Risiko für eine allergische Reaktion, die bis zu einem anaphylaktischen Schock reichen kann.