Schätzungen zufolge hat jeder dritte Bundesbürger eine Allergie, etwa 20 Prozent leiden an einer allergischen Atemwegserkrankung, von denen der Heuschnupfen die Spitzenposition einnimmt. Wie Professor Ludger Klimek vom Zentrum für Rhinologie und Allergologie in Wiesbaden betonte, ist es wichtig, auch leichte Heuschnupfen-Beschwerden konsequent und frühzeitig zu behandeln, um einen Etagenwechsel zu vermeiden und chronischen Schädigungen der Schleimhäute, die zu einer Chronifizierung der Krankheit führen können, vorzubeugen. Die Forschungsergebnisse der letzten Jahre haben gezeigt, dass ein chronischer Allergenkontakt die Schleimhäute der Atemwege dauerhaft zerstört. Dabei sind nicht die Allergene selbst, sondern körpereigene Stoffe für die Schleimhautschädigung verantwortlich, die als Reaktion auf den Allergenkontakt ausgeschüttet werden. Dazu zählen entzündungsfördernde Substanzen wie Histamin und Enzyme mit gewebsschädigenden Eigenschaften.
Je nach den vorherrschenden Beschwerden und dem Grad der Entzündungsreaktion stehen verschiedene Medikamente zur Behandlung des Heuschnupfens zur Verfügung, allen voran moderne Antihistaminika und topische Kortikosteroide. Die einzige Behandlung, die die Allergie wirklich heilen kann, ist die Hyposensibilisierung oder spezifische Immuntherapie (SIT), bei der die verantwortlichen Allergene über einen längeren Zeitraum hinweg in ansteigenden Dosen unter die Haut gespritzt werden. Die Wirksamkeit der SIT ist durch zahlreiche Studien belegt, doch die herkömmliche Behandlung ist relativ zeitaufwändig, mit wöchtentlichen Injektionen über mehrere Monate hinweg. Eine neuentwickelte SIT mit verkürztem Therapieschema ist die sog. “Rush-SIT”, bei der wenige Injektionen ausreichen, um innerhalb von wenigen Tagen die Erhaltungsdosis zu erreichen. Weitere Impfungen sind dann nur noch etwa alle zwei Monate nötig. Aktuelle Forschungsergebnisse weisen darauf hin, dass die Rush-Therapie auch deutlich besser wirkt.
Klimek wies darauf hin, dass auch einfache physikalische Maßnahmen wie Nasenspülungen mit Solelösungen Heuschnupfenbeschwerden lindern und dazu beitragen können, Medikamente einzusparen.
Allergien haben in den letzten Jahrzehnten in erschreckendem Ausmaß zugenommen, ohne dass hierfür die Ursachen geklärt wären, betonte Professor Johannes Ring, Direktor der Klinik und Poliklinik für Dermatologie und Allergologie am Biederstein in München. Doch erfreulicherweise habe die Forschung der modernen Immunologie und Allergologie zu neuen Entwicklungen geführt, die den Patienten schon heute zugute kommen. Das Geheimnis einer erfolgreichen Allergiebehandlung besteht nach Ring in einer individuell abgestimmten Auswahl der heute verfügbaren Therapieverfahren, die sich nicht gegenseitig ausschließen und häufig parallel durchgeführt werden müssen. Wichtig sei auch die Mitarbeit des Patienten, der über seine Erkrankung gut informiert sein sollte, wozu auch Schulungsprogramme für Asthma und Neurodermitis beitragen. Ring stellte die Grundpfeiler des modernen Allergie-Managements vor:
Die Ermittlung des verantwortlichen Allergens ist oft schwierig. Ist die Diagnose jedoch erst einmal gestellt, gesaltet sich die Therapie theoretisch sehr einfach, da diese in erster Linie in der Vermeidung des auslösenden Stoffes besteht, der sog. Allergenkarenz.
Unter Karenz versteht man das Meiden des für die Beschwerden verantwortlichen Allergens. Die Karenz umfasst z.B. Diätmaßnahmen, Wohnraumsanierung, berufliche Orientierung und klimatherapeutische Empfehlungen. Da in vielen Fällen eine Karenz nicht ohne weiteres möglich ist, insbesondere bei Hausstaubmilben- und Pollenallergie, sind häufig zusätzliche Maßnahmen, wie sie im Folgenden besprochen werden, notwendig.
Bei dieser auch spezifische Immuntherapie genannten Maßnahme wird das verantwortliche Allergen dem Körper in zunehmender Dosierung zugeführt, bis Symptomfreiheit erreicht wird.
Diese spielt neben antientzündlichen Maßnahmen bei allergischen Erkrankungen eine große Rolle. Bei Asthma ist die Sekretolyse (Schleimlösung) von Bedeutung, bei der Neurodermitis ist es wichtig, die richtigen Grundlagenstoffe zur Pflege der erkrankten Haut zu finden, um die gestörte Barrierefunktion im erscheinungsfreien Intervall aufrecht zu erhalten.
Häufig schlägt eine antiallergische Therapie erst unter den allergenarmen Klimabedingungen an, wie sie an der See (z.B. auf den Nordseeinseln) oder im Hochgebirge (z.B. Davos) herrschen.
Psychische Faktoren spielen bei vielen Allergien eine nicht zu unterschätzende Rolle. Psychosomatische Beratung, Autogenes Training, Entspannungstechniken und auch psychotherapeutische Maßnahmen können bei vielen Patienten hilfreich sein.
Da bei der herkömmlichen Immuntherapie 4-5 Jahre vergehen können, bis Beschwerdefreiheit erreicht wird, müssen bis dahin die Symptome medikamentös behandelt werden. Dazu steht ein breites Spektrum an Therapeutika zur Verfügung, die an unterschiedlichen Prozessen des allergischen Geschehens eingreifen:
Mastzellstabilisatoren: Die Stoffe wirken vorbeugend, indem sie die in der Schleimhaut sitzenden histaminausschüttenden Mastzellen hemmen. Sie werden insbesondere bei der allergischen Bindehautentzündung eingesetzt.
Hierzu zählen die Histamin-Antagonisten, sog. Antihistaminika. Sie hemmen die Ausschüttung von Histamin aus den Mastzellen und verhindern auf diese Weise die typischen Heuschnupfenbeschwerden und auch den Juckreiz bei Neurodermitis. Um einem Etagenwechsel vorzubeugen (z.B. Entwicklung eines Asthma bronchiales), sollten Antihistaminika schon bei leichten allergischen Beschwerden eingesetzt werden.
Einen Fortschritt in der Asthmatherapie stellen die sog. Leukotrien-Antagonisten dar, mit deren Hilfe der Kortisonverbrauch verringert werden kann.
Moderne Glukokortikoide wie Beclometason, Fluticason, Mometason etc. werden topisch, d.h. äußerlich an den Atemwegen (Nase, Lunge) appliziert und sind sehr gut verträglich. Eine systemische Kortisontherapie, d.h. die Einnahme von Kortison, ist heute nur noch bei schweren Fällen von Asthma und lebensbedrohlichen anaphylaktischen Reaktionen (allergischer Schock) notwendig.
Diese Substanzen wie z.B. Cyclosporin A sind für schwere Fälle allergischer Erkrankungen verfügbar. Seit kurzem gibt es zur Behandlung des atopischen Ekzems (Neurodermitis) den Wirkstoff Tacrolimus als Salbe für die äußerliche Anwendung, der jedoch aufgrund möglicher Nebenwirkungen nicht kritiklos und nur in schweren Fällen eingesetzt werden sollte.
Bei allergischem Asthma muss akut eine bronchialerweiternde Wirkung erzielt werden. Hierfür stehen Beta-Mimetika zur Verfügung, die auch mit Glukoortikosteroiden erfolgreich kombiniert werden. In der Asthmabehandlung ist nach wie vor auch Theophyllin als bronchialerweiternde Substanz von Bedeutung.
Neue Ansätze zur Allergiebehandlung werden zur Zeit erforscht. Professor Karl-Christian Bergemann, leitender Arzt der Allergie- und Asthma-Klinik in Bad Lippspringe unterstrich die herausragende Bedeutung, die der humanisierte monoklonale Antikörper gegen menschliches IgE (Anti-IgE) haben wird. Anti-IgE wird es ermöglichen, durch subkutane Injektionen in etwa 4-wöchigem Abstand das Gesamt-IgE im Serum drastisch zu senken, welches bei der Auslösung der allergischen Beschwerden eine zentrale Rolle spielt. Der Vorteil dieser Therapie ist der Umstand, dass Anti-IgE nicht spezifisch gegen ein bestimmtes Allergen wirkt, sondern die Überempfindlichkeit unabhängig von einzelnen allergieauslösenden Stoffen reduziert. Voraussichtlich wird die Substanz in mehreren europäischen Ländern zunächst zur Behandlung von Patienten mit schwerem und schwer zu therapierendem Asthma zugelassen werden.