Bis eine Bipolare Erkrankung sicher diagnostiziert wird, vergehen meist viele Jahre, in denen der Patient bereits mehrere Krankheitsphasen erlebt hat. Einer Studie zufolge suchen in Deutschland die meisten Patienten mit Bipolarer Erkrankung innerhalb von acht Jahren drei bis vier verschiedene Ärzte auf und machen mehrere Therapieversuche durch. Bisweilen vergehen bis zu 15 Jahre bis die definitive Diagnose feststeht. Grund dafür ist vor allem eine Fehleinschätzung der Symptome. So gilt ein depressiver Patienten häufig als schlecht gelaunt, und auch die euphorische, überschwängliche Stimmung in der manischen Phase wird selten als krankheitsbedingt empfunden. Doch selbst wenn dem Patienten bewusst ist, dass er an einer psychischen Krankheit leidet, kann es für ihn schwer sein, dies zu akzeptieren und sich in psychiatrische Behandlung zu begeben. Denn noch immer besteht in der Gesellschaft gegenüber psychischen Erkrankungen vielfach Voreingenommenheit. Eine frühzeitige Diagnose ist aber vor allem deshalb wichtig, weil der Verlauf der Erkrankung entscheidend davon abhängt, zu welchem Zeitpunkt die Therapie eingeleitet wird. Je früher die Behandlung beginnt, um so besser wird der Patient mit seiner Erkrankung leben können. Ein Patient spricht außerdem um so besser auf die Behandlung an, je weniger Krankheitsphasen er bis zum Beginn der Therapie durchgemacht hat. Durch eine frühzeitige Diagnose und Therapie können dem Patienten deshalb viele psychische und soziale Probleme erspart bleiben.
Die Bipolare Erkrankung ist in der Psychiatrie die Krankheit mit der höchsten Suizid-Rate. Das Risiko, dass ein Patient einen Suizidversuch unternimmt, kann durch eine frühzeitige Diagnose und Therapie am besten gesenkt werden. Denn die Gefahr, dass ein Patient einen Selbsttötungsversuch unternimmt, ist in der Anfangsphase der Erkrankung am höchsten. Die meisten Suizide ereignen sich im zweiten bis fünften Jahr nach Diagnosestellung. Zudem ist das Suizid-Risiko um so größer, je schwerer die depressive Symptomatik ausgeprägt ist. Deshalb ist es wichtig, dass der Arzt jedem depressiven Patienten direkte Fragen zu dessen Selbstmordgedanken stellt. Aber auch in der manischen Phase besteht für den Patienten eine erhöhte Gefährdung seines Lebens. Denn indem er seine Leistung und Reaktionsfähigkeit maßlos überschätzt, begibt sich der Patient leichter in Gefahr, zu verunglücken, z.B. durch überhöhte Geschwindigkeit beim Autofahren, oder sich zu verletzen. Deshalb kann bei einer ernsthaften Gefährdung zum Selbstschutz des Patienten auch eine stationäre Aufnahme in die Klinik notwendig sein.
Wichtig für den Patienten ist neben einer entsprechenden medikamentösen Therapie auch die intensive Betreuung durch Angehörige und den behandelnden Arzt. Für die psychische Stabilität des Patienten spielen die Angehörigen eine wichtige Rolle. Allein lebende Patienten sind stärker suizidgefährdet, weshalb bei ihnen psychoedukative Maßnahmen in die Therapie eingebunden werden sollten. Bei der Psychoedukation, die in Einzel- oder Gruppengesprächen durchgeführt werden kann, lernen die Patienten Symptome drohender Stimmungsumschwünge frühzeitig zu erkennen und mit entsprechenden Verhaltensstrategien neuen Krankheitsphasen vorzubeugen.
Etwa die Hälfte aller Patienten mit Bipolarer Erkrankung muss damit rechnen, im Laufe des Lebens Alkohol- oder Drogenprobleme zu bekommen. Suchtmittel werden von vielen Patienten im Sinne einer „Selbsttherapie” eingesetzt, um den Leidensdruck zu verringern. In einer Untersuchung zeigte sich, dass vorwiegend jüngere, männliche, unverheiratete Patienten mit Bipolarer Erkrankung eine Sucht entwickeln. Neben Alkohol werden vor allem Amphetamine, Cannabis, Kokain und Halluzinogene wie LSD konsumiert. Der Missbrauch von Beruhigungsmitteln wie Benzodiazepinen und Opiaten wie Heroin spielt bei bipolarer Erkrankung nur eine untergeordnete Rolle.
Auch um Suchterkrankungen zu vermeiden, ist eine möglichst frühzeitige Diagnose und Therapie wichtig. Hat sich eine Abhängigkeit bereits entwickelt, müssen in jedem Fall beide Erkrankungen, sowohl die bipolare Stimmungsstörungen als auch die Sucht, behandelt werden.
Leidet ein Familienmitglied an einer Bipolaren Erkrankung ist zwangsläufig die gesamte Familie betroffen, die ebenso wie der Patient mit den extremen Stimmungsschwankungen zurecht kommen muss. Das Verhalten des Patienten in der Krankheitsphase ist für den Partner und die Angehörigen schwer nachvollziehbar. Sowohl die manischen als auch die depressiven Phasen können die Beziehungen zu Partner und Familie stark belasten. Je früher die Betroffenen behandelt werden, um so größer ist die Chance, dass eine Partnerschaft nicht unter der Belastung der Erkrankung zerbricht. Für den Partner und Familienangehörige kann es hilfreich sein, sich einer Angehörigen- oder Selbsthilfegruppe anzuschließen. Hier kann man sich mit anderen Angehörigen bipolar Erkrankter austauschen und fühlt sich mit seinen Problemen nicht allein gelassen.
Wichtig ist es, die Erkrankung nicht zu verdrängen, sondern sich bewusst zu machen, dass die Krankheitsphasen wahrscheinlich wiederkehren und sich darauf vorzubereiten. Neue Krisen können besser bewältigt werden, wenn man darauf eingestellt ist und einen entsprechenden „Notfallplan” in petto hat. Gemeinsam mit dem behandelnden Arzt sollte besprochen werden, wie die Symptome einer Krankheitsepisode frühzeitig erkannt werden und wie eine Krise gemeinsam bewältigt werden kann.
Die schweren Stimmungsstörungen des Patienten können auch seine Arbeitsleistung beeinträchtigen. Auch hier gilt – je früher behandelt wird, um so eher bleibt der Patient den Anforderungen des Berufslebens gewachsen. Nach längeren Krankheitsphasen kann eine Arbeitstherapie dabei helfen, den Neueinstieg in das Arbeitsleben wieder zu finden. Mit Hilfe der Therapie soll der Patient Selbstvertrauen wieder finden und auf die Leistungsanforderungen des Berufslebens vorbereitet werden. Dabei werden Belastbarkeits- und Konzentrationsfähigkeit ebenso aufgebaut, wie Anpassungsfähigkeit und Ausdauer, Gewöhnung an feste Zeitstrukturen oder Teamfähigkeit. In Einzel- oder Gruppentherapie werden handwerkliche und geistig fordernde Arbeiten trainiert. Die Anforderungen werden schrittweise erhöht, bis hin zur durchschnittlichen Leistungsfähigkeit eines Gesunden.
Die vielfältigen Ausprägungen Bipolarer Erkrankungen führen dazu, dass die exakte Diagnose meist erst nach mehreren Krankheitsphasen gestellt wird. Deshalb besteht die Gefahr, dass Patienten mit Bipolarer Erkrankung einen langen Leidensweg hinter sich bringen, in dem sie nicht adäquat behandelt werden und sich die Krankheit dadurch im schlimmsten Fall noch verschlechtert. Untersuchungen aus Deutschland haben gezeigt, dass 30 bis 80 Prozent der bipolar erkrankten Patienten als „akut schizophren” und 50 bis 70 Prozent als „psychotisch” fehldiagnostiziert wurden. Fehldiagnosen und ungeeignete Therapieversuche können am besten durch eine sachgerechte Aufklärung aller Beteiligten vermieden werden. Auch die Kommunikation zwischen Arzt und Patient spielt eine wichtige Rolle, denn je detaillierter und offener der Patient Symptome und Krankheitsgeschichte mitteilt, um so besser wird die Bipolare Erkrankung exakt diagnostiziert und um so früher kann der Patient einer adäquaten Behandlung zugeführt werden.