Psychotherapeutische Maßnahmen wie Verhaltenstherapie und kognitive Therapie sowie angstlösende Medikamente sind die einzigen Behandlungen, für die eine Wirksamkeit bei Angststörungen durch wissenschaftliche Studien sicher nachgewiesen ist. Darüber hinaus werden immer wieder Mittel und Maßnahmen angepriesen, die zum Teil wahre Wunder bewirken sollen. Wie Professor Borwin Bandelow von der Psychiatrischen Klinik der Universität Göttingen betont, ist die Wirkung von Aromatherapie, Bachblüten, Heilölen etc. nicht wissenschaftlich nachgewiesen und angebliche Heilerfolge sind offensichtlich auf den Plazeboeffekt zurückzuführen, der gerade bei psychischen Erkrankungen stark ausgeprägt ist. Sicherlich gibt es einige Entspannungtechniken, die helfen, kurzfristig das Wohlbefinden zu verbessern. Doch die eigentlichen Ängste können durch Entspannung langfristig nicht beseitigt werden. Ergänzende Therapien, die gegen Ängste helfen sollen, sollten deshalb immer kritisch betrachtet werden.
Verschiedene Entspannungsverfahren
Ängste gehen häufig mit körperlichen Symptomen einher, die sich wiederum ungünstig auf die Angstsymptomatik auswirken. Verspannung und Anspannung gehören zu den häufigsten Begleitsymptomen, so dass meist angenommen wird, dass Entspannungsverfahren bei Angststörungen helfen. Wer seine Ängste bekämpfen will, muss sich jedoch bewusst mit ihnen auseinander setzen. Vergleichbar mit anderen Lernprozessen, erfordert die Konfrontation mit den Ängsten einige Anstrengung. So ist zur erklären, warum Entspannungsverfahren wie autogenes Training alleine die Ängste nicht beseitigen und sich unter Umständen sogar ungünstig auswirken können.
Autogenes Training und Hypnose
Das autogene Training ist eine in den 20er Jahren entwickelte Entspannungsmethode zur Linderung seelischer und körperlicher Beschwerden. Mit Hilfe von autosuggestiven Formeln wird ein tranceähnlicher Entspannungszustand erreicht, der Erholung und Ruhigstellung, Aktivierung der Selbstheilungskräfte, Regulation gestörter Körperfunktionen sowie Leistungssteigerung und verringertes Schmerzempfinden bewirken soll. Eine weitergehende Phase des autogenen Trainings gleicht einer Art Tagtraumtechnik, in der Erinnerungen und Gefühle auf tiefenpsychologischer Grundlage beeinflusst werden sollen. Autogenes Training wird vorwiegend zur Behandlung der Panikstörung empfohlen, ein Nachweis für dessen Wirksamkeit wurde in der Praxis aber nicht erbracht. Die einzige Studie dazu von F. Stetter aus dem Jahr 1994 konnte keinen Nachweise erbringen, dass autogenes Training bei Angstpatienten die Häufigkeit der Panikattacken reduziert. In derselben Studie zeigte auch Hypnose keine Wirkung. Auch hier wird die Zeit während der Entspannung zwar als angenehm empfunden. Wenn aber der Alltag wieder seinen Lauf nimmt, kehren die Ängste in der Regel unverändert zurück.
Biofeedback
Mit der eigenen Willensanstrengung Körperfunktionen zu beeinflussen, die eigentlich unwillkürlich, wie z.B. Herzschlag und Gehirnströme, ist das Ziel des Biofeedback, das ebenfalls zu den Entspannungsverfahren gezählt wird. Anhand von Messfühlern werden Atmung und Herzschlag gemessen und hörbar gemacht. Eine zu hohe Herzfrequenz soll durch bewusstes Entspannen normalisiert werden, worüber der Biofeedback-Apparat optische oder akustische Rückmeldung gibt. Mit Hilfe des Biofeedbacks sollen die bei Angststörungen aus dem Lot gebrachten Körperfunktionen durch den Patienten willentlich wieder ins Gleichgewicht gebracht werden, eine Technik mit der angeblich auch zahlreiche andere Erkrankungen geheilt werden können. In der einzigen kontrollierten Studie zum Biofeedback von 1993, bei der Patienten mit generalisierter Angststörung entweder mit Biofeedback oder einer “Pseudo-Meditation’‘ behandelt wurden, erreichte keine der verschiedenen Biofeedback-Methoden bessere Ergebnisse, als die unbehandelte Kontrollgruppe.
Musik- und Tanztherapie
Musik ist in der Lage, die unterschiedlichsten Emotionen auszulösen, und die meisten Menschen können sich beim Tanzen in der Disco, in Tanzkursen oder in tanztherapeutischen Gruppen hervorragend entspannen. Aber auch im Falle einer Musik- oder Tanztherapie muss angezweifelt werden, ob sich die entspannende Wirkung in den Alltag retten lässt. Kontrollierte Studien zur Wirkung dieser Entspannungsformen bei Angstpatienten wurden bislang noch nicht durchgeführt.
Körpertherapie und Bioenergetik
Bei der Körpertherapie und der daraus entwickelten Bioenergetik handelt es sich um Therapieformen, bei denen körperliche Berührungen wie Massieren und Streicheln, die bei anderen Psychotherapieformen sogar tabu sind, im Vordergrund stehen. Der Therapeut soll dadurch einen besseren Zugang zum Patienten erlangen und angebliche seelische Blockaden lösen, die von frühen Kindheitserinnerungen herrühren. Indem starke Emotionen freigesetzt werden, lösen sich angeblich auch Verspannungen und der Patient soll ein gesteigertes Selbstwertgefühl erlangen. Tatsächlich leiden Angstpatienten häufig unter starken Muskelverspannungen, denn die Anspannung der Muskulatur in bedrohlichen Situationen ist ein Relikt aus der frühen Vorzeit. Damals hatte die Angst eine überlebenswichtige Funktion, indem eine Reihe von Körperfunktionen in Gang gesetzt wurden, die den Körper kampf- und fluchtbereit machte. Die Muskelanspannung ist demnach eine Folge der Angst und nicht ihre Ursache, weshalb auch die verschiedenen Entspannungsmethoden nur kurzfristig die Muskelschmerzen lindern und das Wohlbefinden verbessern, aber nicht die Ängste als Ursache der Verspannungen bekämpfen können.
EMDR
Wer sich schon einmal mit alternativen Heilmethoden zur Behandlung von Angststörungen beschäftigt hat, kennt vielleicht auch die EMDR. Hinter dem Kürzel verbirgt sich eine relativ neue zweifelhafte Behandlungsmethode mit dem Namen “Eye Movement Desensitization and Reprocessing Therapy”, die von der Kalifornischen Psychologin Francine Shapiro entwickelt wurde, in erster Linie, um Menschen zu helfen, die ein Trauma erlitten haben. Bei dieser Methode, bewegt der Therapeut zwei Finger vor dem Gesicht des Patienten, der diese mit den Augen verfolgt bis sie fast aus seinem Gesichtsfeld verschwunden sind. Der Beweis, dass diese Technik tatsächlich Menschen mit posttraumatischer Belastungsstörung oder Panikattacken helfen kann, wurde jedoch nie erbracht.
Pflanzliche Mittel
Verschiedene pflanzliche Präparate werden zur Behandlung von Angststörungen angepriesen. Ob die Anwendung tatsächlich die Ängste beseitigen kann, muss angezweifelt werden.
Johanniskraut
Für Extrakte aus Johanniskraut (Hypericum perforatum) konnte in Studien eine Wirksamkeit bei leichten bis mittelschweren Depressionen gezeigt werden. Allerdings ist nicht nachgewiesen, dass Johanniskraut auch bei Angststörungen wirksam ist, so dass die Anwendung hier nicht zu empfehlen ist.
Kava-Kava
Bis vor einigen Jahren wurden in Deutschland pflanzliche Präparate mit Extrakten aus der Wurzel des Rauschpfeffers Kava Kava (Piper methysticum) angeboten, die angstlösend und entspannend wirken sollen. Der Beweis dafür wurde allerdings nie zweifelsfrei erbracht und nachdem bei einigen Patienten, die Kava-Kava-Präparate über einen längeren Zeitraum eingenommen hatten, zum Teil schwere Leberschäden auftraten, hat das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte die Zulassung für alle Kava-Kava-haltigen Arzneimittel im Juni 2002 widerrufen.
Baldrian und Melisse
Die Extrakte aus Baldrian (Valeriana officinalis) und Melisse (Melissa officinalis) sind pflanzliche Beruhigungsmittel, die bei Unruhezuständen, Stress und Angstzuständen empfohlen werden. Eine Untersuchung des Pharmakologen Roberto Andreatini zur Wirkung von Baldrianextrakt bei generalisierter Angststörung erbrachte keinen Unterschied zu Plazebo und die Wirkung von Melissenextrakt bei Angststörungen wurde bislang nicht wissenschaftlich untersucht.
Sportliche Betätigung
Es ist allgemein anerkannt, dass Sport nicht nur körperlich fit macht, sondern auch gut für das seelische Gleichgewicht ist. In einer groß angelegten Untersuchungen ist der Psychiater Andreas Broocks deshalb der Frage nachgegangen, ob Sport auch zur Behandlung von Panikattacken wirksam ist. Die Patienten wurden in drei Gruppen unterteilt, von denen eine dreimal wöchentlich etwa fünf Kilometer Joggen musste, die zweite wurde mit einem wirksamen angstlösenden Medikament behandelt und die dritte Gruppe erhielt ein Plazebo. Die Ergebnisse sind ermutigend: Das Jogging-Programm war zwar nicht so wirksam, wie die medikamentöse Behandlung, aber den körperlich aktiven Patienten ging es deutlich besser, als denjenigen, die das Scheinmedikament erhalten hatten. Die Patienten machten beim Joggen ähnliche körperliche Erfahrungen, wie bei einer Panikattacke, sie schwitzten, hatten Herzklopfen, Luftnot etc.. Offenbar gewöhnten Sie sich an diese Symptomen, empfanden sie nicht mehr als lebensbedrohlich und waren bei der nächsten Panikattacke besser vorbereitet. Um diese Erfahrungen zu machen und von der ausgleichenden Wirkung körperlicher Aktivität zu profitieren, sind keine Höchstleistungen erforderlich. Meist genügt schon ein zügiger Spaziergang, Gymnastik, Fahrradfahren, Schwimmen oder Gartenarbeit, um das Wohlbefinden zu bessern und die nachgewiesen wirksame medikamentöse und psychotherapeutische Behandlung zu unterstützen.