ADHS im Erwachsenenalter äußert sich ganz unterschiedlich und führt nicht bei jedem Betroffenen zu Problemen in Alltag und Beruf. Einige Erwachsene mit ADHS haben nach wie vor Schwierigkeiten mit ihrer Aufmerksamkeit und Konzentration. Das hyperaktive Verhalten der Kindheit geht bei einigen Erwachsenen in Inaktivität über, die gepaart ist mit Nervosität und innerer Unruhe. Bei problematischer Sozialisation und gravierenden Teilleistungsstörungen kann die berufliche und persönliche Entwicklung stark beeinträchtigt werden.
Aufgrund ihrer Aufmerksamkeitsdefizitstörung fehlt es manchen Erwachsenen mit ADHS an Ausdauer, was zu Problemen am Arbeitsplatz führen kann. Langatmige Sitzungen und eintönige Arbeiten werden zu Stressfaktoren. Zusätzlich kommt nicht selten das Unvermögen hinzu, angefangene Arbeiten zu Ende zu führen. Bei der Arbeit wird sich zu lange mit Nebensächlichkeiten beschäftigt und die wesentlichen Aufgaben werden nicht angemessen schnell erledigt. Vergesslichkeit und Unzuverlässigkeit verstärken die Neigung zur mangelnden Selbstorganisation und belasten das Verhältnis zu Kollegen und Vorgesetzten. Manchem Erwachsenen mit ADHS gelingt es nicht, Termine einzuhalten oder sich selbst die Erfüllung bestimmter Aufgaben abzuverlangen. So verstreichen ggf. Termine, die für den Arbeitgeber sogar finanzielle Einbußen zur Folge haben können, ohne dass sich beim Patienten der Antrieb einstellt, endlich den geforderten Arbeitsbeitrag zu leisten. Einige Betroffene weisen zudem eine sehr niedrige Stresstoleranz auf. Nicht selten trauen sie sich kaum noch etwas zu; ihr Selbstvertrauen hat durch viele negative Erfahrungen schweren Schaden genommen.
In Gruppen neigen manche ADHS-Patienten dazu, anderen ins Wort zu fallen, Themen und Arbeitsabläufe zu bestimmen und nicht zuhören zu können. Mit diesem Verhalten machen sie sich nicht immer Freunde. Häufig neigen Betroffene dazu unbewußt und spontan die Ideen und Beiträge ihrer Kollegen abzulehnen, wenn sie nicht ins eigene Konzept passen. Eigene als plausibel empfundene Vorstellungen können meist überzeugend und wortgewandt geäußert werden. Dieses Verhalten löst bei den Arbeitskollegen nicht selten Neid gepaart mit Ablehnung aus. Manche Betroffenen können daher besser alleine arbeiten, nicht zuletzt weil sie sich dann eher konzentrieren können. Großraumbüros sind für sie eher ungeeignet.
ADHS bringt nicht nur Probleme für die Betroffenen mit sich. Bei förderlicher Umgebung wachsen manche Erwachsene mit ADHS förmlich über sich hinaus. Erstaunliche Fähigkeiten werden sichtbar. Wenn die berufliche Tätigkeit Freude macht und sich der Betroffene von Kollegen akzeptiert und geschätzt fühlt und er zudem Erfolge hat, so ist er hoch motiviert, ehrgeizig und zeigt grenzenlosen Einsatz und Hilfsbereitschaft. Durch häufige, freiwillig geleistete Überstunden gehen einige Betroffene aber auch bis an ihre Leistungsgrenzen. Kreativität, Phantasie und Spontanität sind weitere positive Eigenschaften, die oft bei ADHS-Patienten anzutreffen sind. Diese Erwachsene haben nicht selten ein intuitives Gespür für modische Strömungen und gesellschaftliche Entwicklungen (Trends).
Aufgrund der inneren Unruhe und Nervosität oder der noch vorhandenen Hyperaktivität sollten sich Menschen mit ADHS eine abwechslungsreiche berufliche Tätigkeit suchen, die ausreichend Bewegungsmöglichkeiten bietet. Monotone Schreibtischarbeit ist meist nicht geeignet. Menschen mit ADHS finden sich häufig in sozialen Berufen oder im Journalismus wieder sowie in Berufen, in denen Verkaufstätigkeiten überwiegen, ausgefallene Anforderungen gestellt werden oder Risiken eingegangen werden müssen. Viele machen sich auch selbstständig und kommen dabei durchaus gut zurecht.
Einige Erwachsene mit ADHS haben Stimmungsschwankungen und sind psychisch labil sowie sehr impulsiv. Ihre Impulsivität kann zu unüberlegten Entscheidungen, Ungeduld und Jähzorn führen. Manche Patienten leiden an einer depressiven Grundstimmung, die mit Antriebslosigkeit und ausgeprägten Schlafstörungen verbunden ist. Manch einer entwickelt Selbstmordgedanken.
Außerhalb der Familie haben Menschen mit ADHS häufig kaum freundschaftliche Beziehungen. Da sie schlecht Kompromisse eingehen können und gerne recht behalten wollen, ecken sie immer wieder mit ihren Mitmenschen an. Meist bleiben sie daher auf die Familie angewiesen, obwohl sie sich dort auch nicht wohl fühlen. Es kommt nicht selten zu heftigen Auseinandersetzungen, in denen Menschen mit ADHS zu ungehaltenen Wutausbrüchen neigen. Ein harmonisches Familienleben ist dennoch möglich, wenn es dem Erwachsenen mit ADHS gelingt, einen Partner zu finden, der ihm in zurückhaltender Weise den Weg weist und dadurch eine Coaching-Funktion übernimmt. Schwieriger wird es, wenn sich zwei Menschen zusammenfinden, die beide Probleme mit der Bewältigung des Alltagslebens haben.
Zeichen innerer Unruhe und mangelnder Fähigkeit, den Alltag zu organisieren, sind z. B. Berge unerledigter Papiere und ungebügelter Wäsche. Bei der Kindererziehung fühlt sich die Mutter mit ADHS schnell überfordert. Besonders Kinder, die wie ihre Eltern von ADHS betroffen sind, finden nicht den für sie wichtigen Halt. Manche Erwachsene schaffen es dennoch mit eisernem Willen und großem Einsatz eine strenge Ordnung herzustellen, die sie vehement verteidigen.
Viele Erwachsene nehmen erst dann professionelle Hilfe in Anspruch, wenn sich Konflikte mit dem Kind, dem Ehepartner oder den Kollegen auf unerträgliche Weise zuspitzen. Lange Zeit ist dem Betroffenen in der Regel nicht bewußt, dass eine Erkrankung zu ihren enormen Schwierigkeiten in Familie und Beruf beiträgt. Häufig wird ADHS von Generation zu Generation weiter vererbt mit ähnlich wiederkehrenden Verhaltensmustern. Der Gedanke, daran etwas ändern zu können, kommt vielen Betroffenen nicht. Hilfe wird meist erst dann in Anspruch genommen, wenn Konflikte auftreten. Wendet sich der Betroffene an einen mit ADHS erfahrenen Arzt, besteht die Chance, den eigentlichen Ursachen der Probleme auf die Spur zu kommen und eine angemessene Behandlung einzuleiten.