Bei anstrengenden Tätigkeiten und beim Lachen, Niesen, Pressen oder Husten kann es passieren, dass ungewollt Urin verloren geht. Man spricht dann von Stress-Inkontinenz, die also nichts mit psychischem Stress oder Ärger zu tun hat.
Hier liegt die Ursache nicht in der Blasenmuskulatur, sondern der Schließmuskel der Harnröhre erschlafft mit der Zeit und kann einem Druckanstieg im Bauchraum nicht mehr standhalten.
Frauen leiden sehr viel häufiger unter Stress-Inkontinenz als Männer, da vor allem bei Geburten der Schließmuskel der Harnröhre und die ihn versorgenden Nerven in Mitleidenschaft gezogen werden können.
Auch eine Erschlaffung des Gewebes und eine schwache Muskulatur im Bereich des Beckenbodens tragen zur Stress- Inkontinenz bei.
Bei der Behandlung der Stress-Inkontinenz kommt es vor allem darauf an, die Muskulatur von Beckenboden und Schließmuskel zu stärken. Beim Beckenbodentraining erlernen die Patienten spezielle Übungen, die sehr wirkungsvoll die Muskulatur wieder stärken können.
Beckenbodentraining eignet sich auch zur Vorbeugung einer Stress-Inkontinenz, insbesondere nach einer Schwangerschaft.
Das sogenannte Biofeedback ermöglicht es, die eigenen Körperfunktionen besser wahrzunehmen. Dabei wird die Muskulatur des Beckenbodens und des Schließmuskels gezielt angespannt. Ein in die Scheide eingelegter Druckfühler registriert die Druckschwankungen und zeigt sie als Licht- oder Tonsignal an. Der Erfolg des Beckenbodentrainings kann so besser beurteilt werden.
Bei der Elektrostimulation wird die Beckenboden- und Schließmuskulatur gezielt gereizt. Der Verschlussmechanismus wird so gestärkt und die Abstimmung zwischen Blase und Schließsystem funktioniert besser.
Einlagen in die Scheide gibt es als tamponähnliche Vaginalkonen oder aufblasbare Druckkissen. Sie trainieren die Muskulatur und verschließen gleichzeitig durch Gegendruck die Harnröhre.
Speziell angepasste Vorlagen und Windeln helfen gerade am Anfang der Behandlung mit der Inkontinenz auch in der Öffentlichkeit besser klarzukommen. Auch nach einer erfolgreichen Behandlung geben sie dem Betroffenen ein Gefühl von Sicherheit, falls bei sehr großer Anstrengung doch noch mal etwas danebengeht.
Da die Einlagen nicht der Behandlung der Symptome dienen, sollten sie nur übergangsweise und unterstützend zur medikamentösen Therapie und zum Beckenbodentraining verwendet werden.
Die Flüssigkeitsaufnahme sollte nicht vermindert werden, denn dadurch lässt sich der Harndrang nicht reduzieren. Eine geringe Flüssigkeitsaufnahme führt vielmehr zu einem konzentrierten Harn, der die Blase reizt. Eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr ist daher sehr wichtig.
Große Mengen an Getränken, die die Blase zusätzlich reizen, sollten vermieden werden, so z. B. koffeinhaltige und kohlensäurehaltige Getränke und Alkohol.
Eine Operation hilft vor allem dann, wenn die Inkontinenz auf eine “Senkblase” zurückzuführen ist. Dabei wird der Halteapparat im Becken gestrafft und die ursprüngliche Funktion wieder hergestellt. Ein chirurgischer Eingriff kommt aber nur dann in Frage, wenn alle anderen Behandlungsmethoden nicht zum Erfolg führen und wenn klar ist, dass der chirurgische Eingriff die Beschwerden deutlich bessern kann.
Gegen die Stress-Inkontinenz stehen leider weniger Medikamente zur Verfügung als bei der Drang-Inkontinenz.
Alpha-Sympathomimetika sorgen dafür, dass sich die Blasenmuskulatur zusammenzieht und die Verschlusskraft steigt.
Diese Wirkstoffe können jedoch nicht sehr hoch dosiert werden, da sonst Nebenwirkungen am Herz-Kreislaufsystem auftreten können.
Östrogene werden schon seit 40 Jahren erfolgreich bei Patientinnen mit Stress-Inkontinenz verschrieben. Sie üben gleich mehrere positive Effekte auf das Genital- und Harnsystem aus.
Sie bauen einerseits die Zellen auf, die die Harnröhre von innen auskleiden und bewirken, dass sich die Blasenmuskulatur besser zusammenziehen kann. Östrogene können als Tabletten, Salben und mit Pflastern durch die Haut verabreicht werden.