Die Diagnose einer chronisch entzündlichen Darmerkrankung – ob nun Colitis ulcerosa oder Morbus Crohn – bedeutet für jeden Patienten eine grundsätzliche Veränderung seines Lebens und eine massive Beeinträchtigung seiner Lebensqualität.
Die meisten Aktivitäten des Familien- oder Arbeitslebens, die gesellschaftlichen Verpflichtungen und die Freizeit- und Feriengestaltung wird sich an der Erkrankung orientieren müssen.
Die Anpassung des Lebensstils an die Erkrankung, die Veränderung der beruflichen Karriere und auch der Sport- und Freizeitgestaltung wird den Betroffenen vor allem in Phasen eines akuten Schubs der chronisch entzündlichen Darmerkrankung erheblich beeinträchtigen und sie gehört zu den meist lebenslangen Begleitern.
Daher ist es wichtig, sich intensiv mit der Erkrankung auseinander zu setzen, die Risiken und Vorboten eines akuten Schubs zu kennen und zu lernen, mit dieser Erkrankung zu leben.
Aufkommende Ängste müssen bewältigt werden, das soziale Umfeld sollte immer darüber informiert werden, dass man eine chronisch entzündliche Erkrankung hat, und besonders beim Arbeitsgeber sollte man kein Geheimnis aus seiner Erkrankung machen, damit dieser Verständnis für eventuelle häufigere Krankheitstage aufbringen kann. Wenn die Menschen aus der persönlichen Umgebung des Patienten über die Symptomatik der Erkrankung aufgeklärt sind, werden Diskriminierung oder Stigmatisierung, die als Unkenntnis der tatsächlichen Situation resultieren, weitestgehend vermieden. Fühlt man sich in seinem sozialen Umfeld sicher und akzeptiert, bessern sich auch die Ängste, die der Patient oft mit sich herumträgt.
Dies ist umso wichtiger, weil die Erkrankung in den meisten Fällen zu einem Zeitpunkt im jüngeren Lebensalter auftritt, in dem man mit der eigenen Ausbildung, Karriere und Zukunftsplanung beschäftigt ist. In einer Zeit voller Hektik und mit großen Anforderungen an jeden Einzelnen der Gesellschaft, ist eine chronisch entzündliche Darmerkrankung mit chronischen Durchfällen und wiederholten Bauchkrämpfen das Letzte, was man sich wünscht. Viele junge Leute sind in diesem Lebensalter mit der Familienbildung und -planung beschäftigt und jeder Betroffene ist sich darüber im Klaren, dass sehr viel Verständnis, Rücksichtsnahme und Einfühlungsvermögen vom Partner erbracht werden müssen, um nicht vor der in vielen Lebenssituation nicht gesellschaftsfähigen Erkrankung seines Partners zu kapitulieren. Es wird daher oft als schweres Schicksal hingenommen und die Betroffenen müssen sehr aufpassen, dass sie sich nicht in die selbst gewählte Isolation flüchten. Damit würde einer traurigen Lebenseinstellung oder sogar einer Depression der Weg geebnet, und das Leben mit der Erkrankung wäre als eine schwere Bürde empfunden.
Jeder der Betroffenen ist darüber informiert, dass eine Heilung der chronisch entzündlichen Darmerkrankungen bisher noch nicht möglich ist. Nicht zuletzt deswegen, weil die Ursache für die Entstehung einer Colitis ulcerosa oder eines Morbus Crohn bis heute nicht gefunden wurde. Aufgrund dessen ist es umso wichtiger, dass man lernt mit der Krankheit zu leben und alle Möglichkeiten kennt und wahrnimmt, die Symptome und den Erkrankungsverlauf positiv zu beeinflussen. Dazu gehört es Bewältigungsstrategien zu entwickeln und aktiv sowie eigenverantwortlich an der Behandlung mitzuwirken.
Heutzutage gelingt es den meisten Patienten bereits mit ihrem behandelnden Gastroenterologen und anderen Therapeuten sowie den Errungenschaften der modernen Medizin sowohl im Berufsleben als auch im privaten Miteinander oder bei ihren Freizeitaktivitäten ein nahezu normales Leben zu führen.
Einschränkungen und Probleme im Alltag können natürlich immer wieder auftreten. Sei es durch plötzlich auftretende Durchfälle, dass man die nächste Toilette nicht mehr erreichen kann, oder durch die heftigen Bauchschmerzen, die jede Lebensqualität zu rauben scheinen. Es resultieren große Flüssigkeits-, Eiweiß- und Mineralienverluste, die dazu führen, dass der ganze Körper geschwächt wird und ein erhebliches Krankheitsgefühl empfunden wird. Dann müssen die Medikamente meist höher dosiert werden und damit steigen auch die Nebenwirkungen der Substanzen, beispielsweise bei hohen Kortisondosierungen.
Chronisch entzündliche Darmerkrankungen weisen auch unterschiedliche Begleiterkrankungen auf, von denen Gelenkbeschwerden zu den häufigen sogenannten Komorbiditäten gehören. Auch begleitende Augenerkrankungen und Hautveränderungen sind bekannt. Es gehört daher zu den wichtigsten Aufgaben des Betroffenen selbst, solche Begleiterkrankungen zu registrieren, und dem jeweils behandelnden Arzt, ob Rheumatologe, Augenarzt oder Dermatologe mitzuteilen, dass man eine chronisch entzündliche Darmerkrankung hat.
Eine besonders unangenehme Eigenheit des Morbus Crohn ist die Fistelbildung, bei der sich Gänge vom entzündeten Darm aus in das umgebende Gewebe bilden, die in der Muskulatur und auch in benachbarten Drüsengeweben enden oder deren Ausgang an der Hautoberfläche erscheint. Um diese Entwicklung auszuschließen, sind regelmäßige ärztliche Untersuchungen notwendig.
Auch um die Entwicklung einer bösartigen Veränderung in dem chronisch entzündeten Darm auszuschließen, sind solche endoskopischen oder radiologischen Untersuchungen in regelmäßigen Abständen erforderlich. Während noch vor wenigen Jahren diese Diagnostik unangenehm bis schmerzhaft war, konnten von der modernen Medizintechnik inzwischen Geräte entwickelt werden, die dieses Procedere für den Arzt, und vor allem für den zu untersuchenden Patienten deutlich erleichtert.
Mit Hilfe der Familie und einem informierten sozialen Umfeld lässt sich die Erkrankung auch von seiner psychischen Beschwernis besser bewältigen. Sollte sich der Patient aber schwer tun mit den Bewältigungsstrategien, empfiehlt es sich professionelle Hilfe bei ebenfalls Betroffenen und in der DCCG (Deutsche Morbus-Crohn/Colitis ulcerosa- Gesellschaft) zu suchen. Mit ihrer langjährigen Erfahrung und vielen Informationen helfen sie dem Patienten mit Colitis ulcerosa und Morbus Crohn, sie stehen ihm bei, wenn er sich elend und niedergeschlagen fühlt und helfen ihm aus der Depression heraus, oder wenn der Tagesablauf von Resignation geprägt ist.
Sie vermitteln eine positive Lebenseinstellung und informieren zu individuellen Strategien, die sich positiv auf den Erkrankungsverlauf auswirken. Die Schübe können seltener oder weniger schwer ausfallen und der Betroffene lernt, die Schub-freie Zeit mit einer intensiveren Lebensgestaltung zu füllen.
Wie jeder Einzelne mit seiner Krankheit umgeht, ist individuell sehr unterschiedlich. Voraussetzung für eine positive Einstellung zu der Erkrankung ist es, dass man es akzeptiert, ein Patient mit chronisch entzündlicher Darmerkrankung zu sein. Das bedeutet, dass man sich nicht von der Krankheit überwältigen lässt, sondern selbst die Verantwortung für die Erkrankung in die Hand nimmt und aktiv zur Besserung beiträgt. Dazu benötigt man umfassende Informationen zum Krankheitsbild selbst, zu den unterschiedlichen Symptomen, den Begleiterkrankungen und der richtigen Therapie. Damit wird die anfängliche Angst und Unsicherheit umgewandelt in konkrete Fragestellungen, in ein Bewusstsein für die Erkrankung, das man dann an seine soziale Umgebung weitergeben kann. Daraus erwächst wieder neue Zuversicht, wenn die Familie, Freunde und Partner die Krankheit verstehen und den Patienten psychisch unterstützen.
Jede sie interessierende Frage zu den Medikamenten oder zum weiteren Verlauf der Erkrankung sollte intensiv mit dem behandelnden Arzt besprochen werden. Daraus erwächst ein vertrauensvolles Bündnis zwischen Arzt und Patient, die dann gemeinsam die am besten wirksame und gut verträgliche Therapie auswählen, auch wenn manchmal nur die Wahl zwischen Scylla und Charyptis bleibt.
Was jetzt noch zu tun bleibt, gehört zu der Selbstbeobachtung. Notieren sie sich, welche Nahrungsmittel sie besonders gut vertragen und auf welche sie mit Schmerzen und Schüben reagieren, welche Situationen sie besonders belasten oder psychisch schwächen und lernen sie, diese Nahrungsmittel und solche Situation zu meiden.
Drängen sich traurige und depressive Gedanken in den Vordergrund, scheuen sie nicht das Gespräch mit einem geschulten Psychologen oder Psychiater. Meist sind kompetente Berater aus diesem Beruf an den Colitis-Crohn-Zentren angestellt.
Besonders hilfreich ist für die meisten Betroffenen der Umgang mit anderen Menschen, die unter der gleichen Erkrankung leiden. Der gegenseitige Austausch ist meist mit viel Verständnis füreinander verbunden, und das Wissen, nicht alleine unter den Strapazen, Schmerzen und Durchfällen einer chronisch entzündlichen Darmerkrankung zu leiden, stärkt die psychische Situation und hilft bei positiven Bewältigungsstrategien.