Werden Menschen von einem gravierenden gesundheitlichen Ereignis, etwa einem Herzinfarkt oder einem Schlaganfall betroffen, entwickelt sich bei mehr als 30 Prozent eine psychische Belastung, die sich als Depression manifestiert.
Besonders nach einem Schlaganfall ist jeder dritte Patient davon betroffen, und die Ärzte müssen nicht nur der körperlichen Notfallsituation gerecht werden, um möglichst die schwerwiegenden Folgen zu verhindern. Ihre besondere Aufmerksamkeit gilt auch der Psyche des Betroffenen, dessen Ängste vor körperlicher Behinderung, Sprachverlust und eingeschränkter Mobilität in der Zukunft häufig in einer Depression münden. Inzwischen wird von der Deutschen Schlaganfall-Gesellschaft dringend empfohlen, alle Patienten nach diesem zerebralen Ereignis auf die spezifischen Symptome zu untersuchen, die auf das eventuelle Vorliegen einer Depression hinweisen.
„Für Menschen, die von heute auf morgen halbseitig gelähmt sind, ihre Sprachfähigkeit verlieren oder nur noch sehr eingeschränkt sehen können, ist die Niedergeschlagenheit bis hin zur Depression eine sehr verständliche Reaktion,“ sagte Professor Matthias Endres, Direktor der Klinik für Neurologie an der Berliner Charité.
Besonders häufig betroffen von einer Post-Schlaganfall-Depression sind Frauen, ältere Menschen und diejenigen ohne soziale Unterstützung. Die mehr als 30 Prozent der Depressionen nach einem Schlaganfall rekrutieren sich zu einem relevanten Anteil auch aus Personen, die bereits vor dem Ereignis mit psychischen Problemen, depressiven Episoden oder kognitiven Beeinträchtigungen belastet waren.
Nicht unbedingt ist die Depression eine direkte Reaktion auf das Schlaganfall-Ereignis und die drohende Behinderung. Es besteht durchaus auch das Risiko, dass in der Folge des Schlaganfalls biologische Veränderungen im Zentralnervensystem auftreten. Diese könnten eine Erklärung dafür liefern, warum die Inzidenz der Depression bei Behinderungen aufgrund des Schlaganfalles deutlich höher ausfallen als bei Behinderungen mit identischem Schweregrad aufgrund einer orthopädischen Erkrankung.
Zu Linderung des zusätzlichen psychischen Leidens der Patienten stehen Medikamente zur Verfügung, die bei der Übertragung von Nervenimpulsen die Konzentration des Serotonins erhöhen. Wird die Wiederaufnahme dieses Botenstoffes im Synaptischen Spalt des Nervensystem gehemmt, erfahren die Schlaganfallpatienten eine deutliche Besserung ihrer Depressionssymptome. Ein Zusatznutzen könnte von den Serotonin- Wiederaufnahme-Hemmern ausgehen, weil in Studien gezeigt werden konnte, dass die Funktion der Hirnzellen stabilisiert werden kann und in einigen Regionen des Gehirn auch die Neubildung von Nervenzellen angeregt wird.
In solchen tierexperimentellen Studien mit dem Antidepressivum zum Schlaganfall-Modell wird nicht nur eine Prävention der Depression gesehen, sondern auch das Absterben von Nervenzellen wurde verhindert, so Endres. Er wies auf eine Studie hin, in der Schlaganfallpatienten, unabhängig davon ob sie eine Depression hatten oder nicht, prophylaktisch mit Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmern im Vergleich zu einem Plazebo behandelt wurden. Nach drei Monaten hatten sich die Patienten, die das wirksame Medikament erhielten, psychisch besser erholt, und der physische Vorteil zeigte sich in einer besseren Beweglichkeit der zuvor gelähmten Gliedmaßen. Dadurch erhielten die Patienten ihre Unabhängigkeit früher wieder zurück und konnten viele Dinge wieder selbständig erledigen.
Dies festigt die Bedeutung dieser Antidepressiva in der Rehabilitation der Schlaganfallpatienten, erklärte der Pressesprecher der Deutschen Schlaganfall Gesellschaft, Professor Joachim Röther von der Asklepios-Klinik in Hamburg-Altona.