Am 29. Mai findet der Welttag der Magen-Darmgesundheit statt. Im Brennpunkt stehen diesjährig chronisch-entzündliche Darmerkrankungen (CED). Mit 2,5 Mio. Betroffenen in ganz Europa sind Morbus Crohn und Colitis ulcerosa die wichtigsten Erkrankungen in diesem Formenkreis, wobei die Anzahl der erkrankten Patienten alarmierend steigt.
„Eine chronisch-entzündliche Darmerkrankung (CED) stellt eine schwere Belastung für den Patienten dar, mit Symptomen, die von Bauchschmerzen bis zu Schamgefühlen mit totalem Rückzug aus dem Sozialleben reichen. Darüber hinaus ist das Darmkrebsrisiko bei diesen Patienten zehnmal höher als bei der restlichen Bevölkerung“, erklärte Professor Walter Reinisch, Experte der Europäischen Crohn and Colitis Organisation (ECCO) im Auftrag der United European Gastroenterology Federation (UEGF).
Die Zahl der erkrankten Kinder steigt
Der Welttag der Magen-Darm-Gesundheit ist eine jährlich stattfindende Veranstaltung der World Gastroenterology Organization (WGO) mit dem Ziel, über gastrointestinale Probleme aufzuklären. Diesjährig setzt sich die Europäische Crohn and Colitis Organisation (ECCO), Mitglied der UEGF, in Zusammenarbeit mit der WGO dafür ein, das Problembewusstsein hinsichtlich chronisch-entzündlicher Darmerkrankungen in der Öffentlichkeit anzuheben.
Unterstützung erhalten die beiden Organisationen vom europäischen Dachverband der Patienten, European Federation of Crohn’s and ulcerative Colitis Association (EFCCA), der aus 25 nationalen Mitgliedsverbänden besteht. Der Vorsitzende der EFCCA, Marco Greco, erklärte: „Die EFCCA ist stolz auf diesen kooperativen Ansatz. Die Zusammenarbeit mit ECCO und anderen Akteuren bringt betroffene Patienten und medizinische Fachleute zusammen, um zahlreiche gemeinsame Ziele anzugehen.” Mit rund 2,5 Mio. Personen, die europaweit an Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa leiden, sind diese beiden Krankheitsbilder die häufigsten chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen, wobei die Verbreitung von Morbus Crohn auf erschreckende Weise zugenommen hat.
In den letzten 15 Jahren stiegen die Krankenhauseinweisungen in einigen Ländern um 270 Prozent. Besonders besorgniserregend ist die wachsende Häufigkeit von CED bei Kindern. Immer häufiger wird eine Diagnose einer aggressiven Form dieser Krankheit bei Kindern unter neun Jahren gestellt.
Tabuthema für die Öffentlichkeit
CED sind chronische Krankheiten, die sich potenziell im Laufe der Zeit zu irreversiblen Darmschäden entwickeln. Viele Patienten müssen sich Darmoperationen unterziehen. Die Erkrankung ist mit Durchfall, Bauchschmerzen, blutigem Stuhl und der Bildung von eitrigen Fisteln im Darm und in der Analregion verbunden. Oft sind die Patienten daher gezwungen, ihren Aktionsradius auf die unmittelbare Nähe einer Toilette zu beschränken. Ausgrenzung, Rückzug aus dem sozialen Leben, Angstzustände, Depression und Verlust des Arbeitsplatzes sind häufige Folgen der Symptome, die vom Patienten mit Schamgefühl erlebt werden und für die Allgemeinbevölkerung ein Tabu darstellen.
Wie aus einer in Österreich durchgeführten Studie hervorging, sind diese Krankheiten in der Öffentlichkeit entweder gar nicht bekannt oder werden nicht mit dem Magen-Darm-Trakt in Verbindung gebracht. Diese Unkenntnis kann dazu führen, dass die Krankheit zu spät erkannt oder falsch diagnostiziert wird. Unzureichende medizinische Versorgung oder ineffiziente Arzneimittelbehandlung können die Folge sein. Der Zeitraum vom Auftreten der ersten Symptome bis zur Diagnosestellung wird in Europa mit sehr unterschiedlichen Angaben beziffert, es können sogar mehrere Jahre vergehen. Dies verzögert die Einleitung einer wirksamen Behandlung und erschwert die Vorbeugung irreversibler Schäden, Hospitalisierung und chirurgischer Eingriffe.
Laut einer schwedischen Studie belaufen sich die jährlichen Kosten für die Behandlung von Morbus Crohn auf bis zu 8500 € pro Patient. Es gibt Hinweise darauf, dass die europäischen Bürger nicht in gleichem Ausmaß von medizinischem Fachwissen und wirksamer Behandlung chronisch-entzündlicher Darmerkrankungen profitieren können, und auch im Hinblick auf die Umsetzung der ECCO-Leitlinien sind Unterschiede zu beobachten.
Handlungsbedarf
Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen sind nicht länger auf Europa und andere Teile der westlichen Welt beschränkt, wie es früher der Fall war. In den letzten zehn Jahren verbreiteten sich CED auch in den Entwicklungsländern. Dieser epidemiologische Wandel bietet eine Chance, die potenziellen Ursachen zu erforschen, stellt aber auch eine Herausforderung für die Aufklärungsarbeit dar: Denn Patienten und medizinische Dienstleister in diesen Ländern benötigen Informationen über CED-Diagnose und -Management. Trotz der alarmierenden Fakten und Statistiken sind die Ursachen von CED bis heute ungeklärt.
Im Hinblick auf das europäische Nordsüdgefälle wurde eine größere Häufigkeit von CED in Nordeuropa festgestellt. Zu den Faktoren, die diese Unterschiede in der Häufigkeit bedingen könnten, gehören Vitamin D-Mangel, Unterschiede in der Ernährung – auch unter Berücksichtigung von mehrfach ungesättigten Fettsäuren – und andere umweltbedingte Risikofaktoren. Darüber hinaus wurde ein West-Ostgefälle festgestellt, wobei kürzlich ein Anstieg der CED-Häufigkeit in Mittel- und Osteuropa zu beobachten war.
Mit einer neuen Kohortenstudie will das epidemiologische Komitee der ECCO die Ursachen erforschen (www.epicom-ecco.eu). „Die Situation erfordert eine schnelle Antwort und wirksame Maßnahmen auf verschiedenen Gebieten”, betonte Professor Reinisch. Dazu gehören die Förderung von Forschungsarbeit, Bewusstseinsbildung, Ausbau der Beobachtung, unter besonderer Berücksichtigung des Ausgrenzungsproblems, sowie die Einführung europaweiter Standards für das CED-Management.”
Buchtipp: “Morbus Crohn und Colitis ulcerosa – Leitfaden für Betroffene”, Professor A. Raedler
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