Noch immer kommt es zu zeitlichen Verzögerungen bei Frauen jenseits des 65. Lebensjahrs, die vom ersten Auftreten von Infarktsymptomen bis zur Einweisung und Aufnahme in die Klinik vergeht. Dadurch wird wertvolle Zeit vertan, die gebraucht wird um eine rasche Rekanalisierung der Blutgefäße vorzunehmen und die Schädigung der Herzmuskulatur möglichst gering zu halten.
Der Unterschied zwischen älteren Frauen und allen anderen untersuchten Patientengruppen ist eklatant, beklagte Professor Karl-Heinz Ladewig vom Deutschen Zentrum für Herz-Kreislaufforschung an der Technischen Universität in München. Jüngere Frauen und Männer werden deutlich früher diagnostiziert und erreichen schneller die Notfallaufnahme. Während bei älteren Frauen im Durchschnitt mehr als viereinhalb Stunden vergehen, bevor sie in die Hände kompetenter Ärzte gelangen, wird bei jüngeren Frauen bereits nach knapp zweieinhalb Stunden die Therapie eingeleitet. Eine kleine Differenz besteht auch bei jüngeren und älteren Männern, indem bei unter 65-Jährigen nach drei Stunden, bei älteren Männern jenseits des 65. Lebensjahres noch dreieinhalb Stunden gebraucht werden, bevor die ärztliche Untersuchung und Therapie begonnen werden kann.
Daraus lässt sich ableiten, dass bei einer Kombination aus höherem Lebensalter und weiblichem Geschlecht mit weit längeren Entscheidungszeiten zwischen dem Auftreten erster Herzinfarktzeichen und der Versorgung in der Notaufnahme zu rechnen ist. Vor dem Hintergrund dass bei einem Herzinfarkt jede Minute zählt bis zur Kathederuntersuchung und Wiedereröffnung der Koronargefäße, haben ältere Frauen eine geringere Chance für die frühzeitige Rekanalisierung. Infolgedessen sterben in diesem Kollektiv auch mehr Herzzellen ab.
Nun fordern die Forscher des Deutschen Zentrums für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK) in Kooperation mit dem Helmholtz Zentrum München und der Technischen Universität dringen gezielte Aufklärungsmaßnahmen für diese Risikogruppe. Die zugrundeliegenden Daten stammen aus einer Studie, die mehr als vier Jahre 619 Patienten mit einem Herzinfarkt (ST-Strecken-Hebung im EKG) befragt wurden. Neben einer Befragung durch zertifizierte Interviewerinnen innerhalb von 24 Stunden nach Verlassen der Intensivstation füllten die Teilnehmer einen Fragebogen aus. Aus den Krankenakten des medizinischen Personals wurden weitere Risikofaktoren ermittelt.
Nicht bestätigt wurde die landläufig Meinung, dass bei Frauen das typische Symptom von Brustschmerz häufig fehlt und daraus die verspätete Hospitalisierung begründet sei. Das Fehlen von Brustschmerz ist nach den Ergebnissen der Forscher eher altersbedingt zu erklären. „Auch bei Übelkeit und Erbrechen konnten wir keine Unterschiede zwischen den Geschlechtern feststellen“, sagte Ladwig, mit dem Hinweis dass diese atypischen Beschwerden ebenfalls bevorzugt dem weiblichen Geschlecht zugeordnet wurde.
Demnach liegen offenbar psychologische Gründe für die verlängerten Entscheidungszeiten vor, die aber beim Verdacht auf Myokardinfarkt unangebracht sind. Unter anderem legen die Frauen eine Bescheidenheit an den Tag und rufen ungern den Notarzt, oder sie sind besorgt um die Meinung der Nachbarn, die zu den gefährlichen Verzögerungen führen.
Für die Risikogruppe der älteren Frauen sollte die Aufklärung zum Herzinfarkt besser fokussiert werden. Die Hausärzte sind aufgefordert mit ihren älteren Patientinnen über die Möglichkeit eines Herzinfarktes zu sprechen und darauf dringen, dass rechtzeitig der Notruf gewählt wird.