In aktuellen Studien wird diskutiert, inwiefern Patienten mit einem Diabetes mellitus von kognitiven Verlusten und demenziellen Erkrankungen häufiger betroffen sind als Menschen ohne diese Stoffwechselstörung. Sowohl in den Studien als auch von anderen Forschungsergebnissen gehen Hinwies aus, dass Patienten mit einer Diabeteserkrankungen ein mildes Risiko für eine kognitive Beeinträchtigung in Abhängigkeit von der Dauer ihrer Erkrankung und der Qualität der Stoffwechseleinstellung haben.
Dementsprechend wäre das Risiko für einen Typ 2-Diabetiker mit einem zwei- bis vierfach höherem Risiko für eine vaskuläre Demenz (durchblutungsbedingt) verbunden. Für eine Alzheimerdemenz zeigte sich das Risiko als 1,5- bis zweifach erhöht.
Einer vaskulären Demenz liegen atherosklerotische Veränderungen der Gefäße im Gehirn zugrunde, so dass es zu zerebralen Durchblutungsstörungen und mangelnder Sauerstoffversorgung im Zentralnervensystem kommt. Diese Demenzform zeichnet sich durch schwankende Symptome der kognitiven und Gedächtnisleistung aus, je nach der aktuellen Durchblutungssituation.
Leidet ein Patient an einer Alzheimerdemenz, handelt es sich um einen degenerativen Prozess, bei dem Nervenzellen und Synapsen im Gehirn durch Plaque-Ablagerungen (Betaamyloide) und Fibrillenbündel ersetzt werden. Obwohl die Neigung zu einer Alzheimererkrankung häufig als familiär vererbt gilt, spielen doch die erheblichen Blutzuckerschwankungen zwischen Hypoglykämie und starker Hyperglykämie eine Rolle bei der Alzheimerentstehung des Diabetikers.
Frauen sind deutlich häufiger von einer Alzheimererkrankung betroffen als Männer, und in den Industrienationen leiden etwa vier Prozent der Bevölkerung an dieser Erkrankung. Die ersten Symptome zeigen sich als Verlust des Kurzzeitgedächtnisses, später kommt es zu Verhaltensstörungen, mangelnder Orientierung und Persönlichkeitsveränderungen. Die Erkrankung schreitet mit zunehmendem Alter fort. Dies zeigt sich nicht nur im intellektuellen Abbau, sondern auch in vielen körperlichen Funktionsstörungen. Sie kann auf einem bestimmten Niveau stagnieren, die Funktionsfälle können multiple sein oder nur ein neurologisches Defizit aufweisen, etwa den Verlust der Sprache.
Ist ein Diabetiker von kognitiven Störungen betroffen, finden sich in seiner Anamnese meist häufige und schwere hypoglykämische Episoden als Ausdruck wiederholter Stoffwechselentgleisung. Es wird für den betroffenen Diabetiker immer schwieriger, seinen Stoffwechsel zu kontrollieren, die Blutzuckerwerte sorgfältig zu messen und sein therapeutisches Blutzuckermanagement selbständig durchzuführen. Es ist aber für jeden Diabetiker fatal, wenn die Medikation vergessen wird oder sogar ein Zuviel an Insulin injiziert würde, weil durch Fehler die Blutzuckerkonzentration in jede Richtung ausbrechen kann.
Erleidet ein Diabetiker eine Hypoglykämie (Unterzuckerung mit Werten von weniger als 60 mg/dl), bringt diese Situation ohnehin kognitive Einbußen mit sich. Zittern, Schwitzen und Schwindel treten auf, das Denken und Handeln sind eingeschränkt, und mit steigender Unterzuckerung verliert er das Bewusstsein und ist auf fremde Hilfe angewiesen. Diese Situation hat nichts mit einer kognitiven Beeinträchtigung im Sonne eines Morbus Alzheimer zu tun, sondern ist allein auf den akuten Glukose- und Sauerstoffmangel zurück zu führen, der nach adäquater Behandlung mit stabilisierten Normalwerten der Blutglukose beseitigt ist.
Nach Ansicht der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) sollen alle Diabetiker frühzeitig über den Zusammenhang von miserabel eingestellten Blutzuckerkonzentration und dem Risiko für kognitive Leistungseinbußen mit intellektuellen Verlusten aufgeklärt werden.
(Leitlinie Psychosoziales und Diabetes, Kulzer et al)