Die Vorbereitungsphase zur nächsten Handball-Saison läuft: Konditions-, Kraft- und Spiel-Training stehen meist im Mittelpunkt. Ergänzende Trainings-programme zur Verbesserung der muskulären Gelenkkontrolle tragen dazu bei, Verletzungsrisiken zu minimieren. Auch das Anlegen von Tape-Verbänden an Fingern, Händen oder Sprunggelenken hilft, Verletzungen vorzubeugen.
Verschiedene Studien haben die Verletzungsmuster im Handballsport analysiert. Der Hauptteil der Verletzungen tritt direkt im Wettkampf auf, vor allem während der Angriffsphase. Betroffen sind zu je einem Viertel Hand- und Sprunggelenk, dicht gefolgt von Knie (19 %) und Kopf (15 %). Neue sportmedizinische Forschungen haben gezeigt, dass ein großer Anteil schwerer Verletzungen im Ballsport auf ungenügende muskuläre Gelenkkontrolle zurückzuführen ist.
Selbst nach erfolgreicher Rehabilitation sind chronische Gelenkinstabilitäten, z. B. als Folge eines Distorsionstraumas am Sprunggelenk, keine Seltenheit und behindern Handballer nicht nur in Training und Punktspiel, sondern auch bei alltäglichen Bewegungsabläufen. Hier setzt das propriozeptive Training an. Es beansprucht gezielt die Gelenk stabilisierende Muskulatur, wodurch unbewusst Muskelspannung und Positionierung des Gelenks verbessert werden. Auch Tape-Verbände unterstützten den propriozeptiven Effekt – sowohl in der Rehabilitationsphase als auch prophylaktisch.
Die Propriozeption bzw. sensomotorische Wahrnehmung ist ein spezieller Teil der Sensorik und beschreibt die Informationsverschaltungen im Bereich der Tiefensensibilität, mit der Gelenkstellung und -bewegungen sowie Muskelkraft wahrgenommen werden können.
Die Sensoren der Propriozeption befinden sich in Muskel- und Sehnenspindeln sowie in Bändern und Gelenkkapseln und geben dem Gehirn spezielle Informationen über die Lage von Gelenkflächen zueinander sowie über den Spannungszustand von Sehnen, Muskeln und Bändern. Sie vermitteln auch Informationen über die augenblickliche Gelenkbelastung. Die Muskeln reagieren auf diese Information mit entsprechender Anspannung und stabilisieren so das jeweilige Gelenk. Je häufiger die Lage verändert wird, um so breiter wird das “Gedächtnis” des Muskels, und um so eher kann er überraschende Situationen kompensieren.
Liegt eine gestörte Propriozeption vor, dann besitzt das Gelenk eine mangelhafte Stabilität. Bei Übermüdung ist die Reaktionsgeschwindigkeit ebenfalls herabgesetzt. Verschiedene Studien haben die positive Wirkung eines propriozeptiven Trainings gezeigt. Die Grundidee liegt darin, während des Trainings eine gezielte Störung des Gleichgewichtes herbei zu führen, die der Körper reflektorisch ausgleichen muss.
Mit dem von Physiotherapeuten, Trainern und Sportärzten entwickelten “Kieler Handball-Verletzungs-Präventionsprogramm” konnte die Verletzungsquote nachweislich reduziert werden. Die Trainingseinheiten beginnen mit statischen Propriozeptionsübungen auf einem Wackelbrett:
Erst wird auf beiden, dann auf einem Bein balanciert – später kommt der Ball hinzu für Wurfübungen mit und ohne Partner. Der Schwierigkeitsgrad steigt – die höchste Stufe beinhaltet Trainingseinheiten mit geschlossenen Augen, mit und ohne Ball, sowie Übungen, bei denen der Partner den Übenden aus dem Gleichgewicht bringt.
Bei den dynamischen Koordinations- und Sprungtrainings-Einheiten steht die Bewegungskontrolle beim Sprung im Vordergrund. Wesentlich sind die “Knie über dem
Zeh-Position” und das Landen auf dem Vorfuß. Es werden anfänglich einfache Sprünge auf der weichen Matte geübt. Sehr anspruchsvoll für die propriozeptiven Fähigkeiten sind Sprünge vom Kasten auf die Matte mit geschlossenen Augen und handballspezifischen Wurfübungen kombiniert.
Ein Tape-Verband stimuliert die propriozeptiven Fähigkeiten und gehört für Profis und Amateure zur sportmedizinischen Ausstattung. Das Geheimnis des Tapens besteht darin, dass gefährliche Extrempositionen des Gelenks verhindert werden, ohne dass die übrige Beweglichkeit darunter leidet. Damit gewährleistet der Tape-Verband bei hoher Stabilität trotzdem eine maximale Mobilität. Deshalb ermüdet z. B. ein getaptes Sprunggelenk später, und die Gefahr einer Verletzung wird geringer. Wichtig ist allerdings die richtige Anlegetechnik.