Unser Verdauungstrakt ist eng mit der Psyche verknüpft. Jeder von uns hat schon einmal vor Angst „die Hosen voll“ gehabt oder „Wut im Bauch“ verspürt. Kein Wunder, dass besonders Menschen mit schweren psychischen Belastungen wie Depressionen überdurchschnittlich häufig unter Verdauungsproblemen leiden. Nicht selten sind Verdauungsbeschwerden sogar das erste Anzeichen einer sich entwickelnden Depression.
Jeder Mensch hat im Verlauf seines Lebens Probleme mit dem Verdauungstrakt. Die Ursachen sind vielfältig. Infekte, falsche Ernährung, Krankheiten oder Stress können Durchfälle, Verstopfung, Blähungen oder Schmerzen verursachen. Meist verschwinden die Beschwerden nach Beseitigung der Ursache von selbst wieder. Bei manchen Menschen werden die Beschwerden jedoch chronisch.
Das Reizdarm-Syndrom (RDS)
Bei etwa 30 Prozent aller Erwachsenen in Deutschland herrscht regelmäßig „Alarm im Darm“. Sie leiden unter dem Reizdarmsyndrom, einer funktionellen Magen-Darm-Erkrankung ohne organische Ursachen. Frauen erkranken doppelt so häufig daran wie Männer.
Obwohl es sich „nur“ um eine Funktionsstörung handelt, die weder gefährlich noch ansteckend ist, kann ein Reizdarm die Lebensqualität erheblich beeinträchtigen. Manche Patienten werden von plötzlichen Durchfällen geplagt, die Freizeitaktivitäten oder den Berufsalltag zur Qual werden lassen. Andere haben starke Schmerzen. Einige Betroffene haben sogar so heftige Beschwerden, dass sie zeitweise oder dauerhaft nicht mehr arbeiten können.
Die häufigsten Symptome eines Reizdarmes sind :
Bei den meisten Patienten treten mehrere Symptome gleichzeitig auf. Die Beschwerden können von Tag zu Tag wechseln. Häufiger treten die Beschwerden nur phasenweise auf.
Die Ursachen eines Reizdarms sind noch nicht geklärt. Wissenschaftler vermuten, dass bei Patienten mit einem Reizdarm eine Störung der Signalfunktion des Botenstoffes Serotonin im Nervensystem des Darms vorliegt (3, 4). Diese Störung kann Veränderungen in der Darmbeweglichkeit verursachen, die Durchfall, Verstopfung oder plötzlichen Stuhldrang zur Folge haben kann. Der gestörte Serotoninhaushalt ist auch an einer gesteigerten Schmerzwahrnehmung im Darm (viszerale Hypersensitivität) beteiligt.
Auch wenn die Ursachen noch nicht genau bekannt sind, zeichnen sich doch einige Faktoren ab, die Symptome eines Reizdarmes auslösen oder verschlimmern. Dazu gehören :
Im Gegensatz zum Reizdarm liegen bei chronisch entzündlichen Darmkrankheiten (CED) diagnostizierbare organische Veränderungen im Verdauungstrakt vor. Bei schwerem Verlauf können diese Krankheiten ernste Folgeschäden nach sich ziehen und in seltenen Fällen auch lebensbedrohlich sein.
Unter dem Oberbegriff chronisch entzündliche Darmkrankheiten werden die Krankheiten Morbus Crohn und Colitis ulcerosa zusammengefasst. Bei beiden Erkrankungen ist die Darmschleimhaut chronisch entzündet. Sie verlaufen in Schüben und sind nicht heilbar. Frauen erkranken häufiger als Männer, der Altersgipfel der Erkrankung liegt zwischen dem 15. und 30. Lebensjahr. Die Ursachen der Erkrankungen sind noch unbekannt.
Hauptsymptome bei chronisch entzündlichen Darmkrankheiten sind
Die Krankheiten unterscheiden sich in den befallenen Darmabschnitten und im Ausmaß der Entzündung.
Bei Morbus Crohn kann der* gesamte Verdauungstrakt* von der Speiseröhre bis zum Ende des Dickdarms betroffen sein, gesunde Abschnitte wechseln mit entzündeten ab. Häufig sind bei Morbus Crohn auch die tieferen Schichten der Darmwand entzündet.
Werden Menschen gefragt, wo Emotionen wie Freude und Leid, Angst oder Hoffnung, ihren Sitz im Körper haben, zeigen sie, unabhängig von Hautfarbe oder Nationalität, auf den Bauch.
Der gesamte Bereich von der Speiseröhre bis zum Enddarm ist von einem Netz aus mehr als 100 Millionen Nervenzellen durchzogen, das ein komplettes Nervensystem bildet.
Dieses enterische Nervensystem koordiniert den Verdauungsvorgang und den Transport des Speisebreis durch den Magen-Darm-Trakt mithilfe eines fein austarierten Gleichgewichtes an aktivierenden und hemmenden Botenstoffen, Hormonen und Sekreten. Überwiegt der hemmende Anteil, entspannt der Darm so sehr, dass der Transport ins Stocken gerät, die Folge ist Verstopfung. Gewinnt das erregende System die Oberhand, wird der Speisebrei zu schnell transportiert und endet als Durchfall3.
Im enterischen Nervensystem spielen sich die gleichen Vorgänge ab, die man im Gehirn für Denken, Fühlen und Erinnern verantwortlich macht. Nervenbotenstoffe wie Serotonin und Dopamin oder körpereigene Opiate werden nicht nur im Kopf, sondern auch im Nervensystem des Gastrointestinaltraktes produziert.
Das enterische Nervensystem funktioniert nahezu autonom. Wegen seiner weitgehenden Unabhängigkeit und seinem mit dem ZNS vergleichbaren Aufbau nennt man es auch das „Bauchhirn“. Die Autonomie des enterischen Nervensystems ermöglicht es uns, Nahrung zu verdauen, ohne darüber nachzudenken.
Das Gehirn im Kopf und das enterische Nervensystem kommunizieren miteinander. Wer wen regiert, ist noch unklar. 80 Prozent der Nervenstränge zwischen beiden verlaufen jedoch vom Bauch zum Hirn, nur der Rest verläuft in umgekehrter Richtung. Der Bauch sendet offenbar mehr Signale als er empfängt3.
Signale aus dem Kopf wie Stress, Angst oder Trauer werden vom Bauchhirn registriert. Dies versetzt Immun- und Nervenzellen in Alarmbereitschaft. Wird das Dauerfeuer von negativen Signalen nicht ab und zu unterbrochen, können sich die Reaktionen des enterischen Nervensystems von der Emotion loslösen und sich verselbständigen. Daraus können chronische Magen-Darmprobleme entstehen3.
Depressionen haben sowohl Auswirkungen auf das vegetative Nervensystem als auch auf das enterische Nervensystem sowie auf die Botenstoffe zwischen beiden. Magen-Darmprobleme sind daher häufig anzutreffende Begleitsymptome einer Depression, manchmal sind sie sogar das erste Anzeichen.
Wie bei anderen chronischen Erkrankungen, die mit einer Depression einhergehen, können sich auch bei Magen-Darm-Problemen und Depressionen die Symptome gegenseitig im Wechsel immer weiter verstärken. Wird der Prozess nicht rechtzeitig erkannt und unterbrochen, wird sich der Teufelskreis verselbständigen.
Daher sind eine möglichst frühzeitige Diagnose und ein darauf abgestimmtes individuelles Therapiekonzept von größter Bedeutung.
Die Diagnose „Reizdarm“ wird als Ausschlussdiagnose gestellt. Nur wenn bei Verdauungsbeschwerden organische Erkrankungen wie Tumore oder Entzündungen ausgeschlossen werden können, liegt ein Reizdarmsyndrom vor.
Bei anhaltenden Beschwerden im Verdauungstrakt werden meist folgende Untersuchungen durchgeführt:
Die Erfassung der Krankengeschichte ermöglicht dem Arzt, Rückschlüsse auf mögliche psychische oder psychosoziale Faktoren, die zur Symptomatik eines Reizdarmes beitragen könnten.
Blutbild und Blutsenkungsgeschwindigkeit
Blutbild und Blutsenkung sowie die Bestimmung des CrP-Wertes (C-reaktives Protein) sind Teil der Diagnostik, um den Verdacht auf eine Entzündung zu erhöhen und werden bei der Verkaufskontrolle mitbestimmt.
Stuhluntersuchung
Eine Stuhluntersuchung auf okkultes (verborgenes) Blut gibt Aufschluss über mögliche Blutungen, die mit z. B. entzündlichen Darmerkrankungen in Verbindung stehen können.
Bildgebende Verfahren
Auch z. B. eine Ultraschalluntersuchung der Bauchorgane, dient dazu, von Entzündungen betroffene Areale im Verdauungstrakt zu identifizieren oder auszuschließen.
Eine Darmspiegelung ist u. a. indiziert bei nicht eindeutigen Ergebnissen der Ultraschalluntersuchung, wenn der Patient älter als 40 Jahre ist, Darmkrebs in der Familie vorkommt oder der Patient die Untersuchung wünscht.
Untersuchung auf Nahrungsmittelunverträglichkeiten
Bei einem Verdacht auf Reizdarmsyndrom werden häufig Untersuchungen z. B. auf Nahrungsmittelunverträglichkeiten, wie Laktoseintoleranz, Fruktoseintoleranz oder Glutenintoleranz durchgeführt.
Spezielle Untersuchungen
Bei Durchfall als Hauptsymptom kann z. B. die Bestimmung der Elektrolyte, der Enzyme der Leber und der Bauchspeicheldrüse, sowie die Überprüfung der Schilddrüsenfunktionen und die Bestimmung des Blutzuckers erforderlich sein.
1 Depressionen erkennen www.medizinfo.de
2 Träger Darm bei Depression, Ärzte-Zeitung, www.aerztezeitung.de , 28.06.2001
3 Wolf, Elke: Reizdarmsyndrom – Magen und Darm machen Stimmung, www.pharmazeutische-zeitung.de Ausgabe 45, 2001
4 Richter, Jens: Reizdarm, www.netdoktor.de , 17.01.2005
5 Albus, C.: Psychosomatische Aspekte der Obstipation, Vortrag, Universität Köln, Kompetenzfeld Obstipation, Wintersemester 04/05
6 Funktionelle Magen-Darm-Beschwerden – Eine Information für Patienten und Angehörige, Broschüre, Techniker Krankenkasse, 1. Auflage, 2001
7 Chronisch entzündliche Darmkrankheiten und seelisches Erleben, Broschüre, Falk-Foundation e.V., 12.Auflage 2004