“Die Haut ist der Spiegel der Seele”, besagt eine alte Weisheit. Daran ist nach Erfahrungen von Hautärzten viel Wahres (“Die Haut spiegelt unsere Gemütslage unmittelbar wider”).
Viele Hautreaktionen sind mit unserem Bewusstsein nicht steuerbar. Wir werden rot vor Wut, blass vor Schreck oder schwitzen vor Aufregung an den Händen. Viele Menschen bekommen in Stress-Situationen Pickel oder Hautausschläge.
Daher ist es nicht verwunderlich, dass sich bei Menschen z. B. mit einer entsprechenden genetischen Disposition ernste psychische Probleme bis hin zu behandlungsbedürftigen Depressionen vor allem auch über Hauterkrankungen äußern.
Mit einer Fläche von 1,6 bis 2 m² ist die Haut das größte Organ des Körpers. Sie erfüllt vielfältige Funktionen:
Die Haut ist unser Kontaktorgan. Sie verbindet uns mit der Umwelt und grenzt uns gleichzeitig von ihr ab. Physisch und psychisch reguliert sie das Verhältnis von Nähe und Distanz zu unseren Mitmenschen.
Beobachtungen haben ergeben, dass viele Patienten mit Hautkrankheiten Probleme mit Nähe und Distanz zu ihren Mitmenschen haben. Studien belegen auch, dass Hautkrankheiten meist durch die Psyche in ihrem Verlauf maßgeblich beeinflusst werden.
Hautkrankheiten können sowohl eine organische als auch eine seelische Ursache haben.
Trotz gleicher genetischer Disposition können manche Menschen an der betreffenden Hautkrankheit erkranken und andere nicht. 70 Prozent der erwachsenen Patienten geben an, dass sie beim ersten Auftreten der Krankheit unter besonderen Stresssituationen oder besonderer seelischer Belastung gestanden hätten.
Mit Hautkrankheiten, bei denen neben organischen vor allem psychosoziale Ursachen einen wesentlichen und therapeutisch bedeutsamen Einfluss haben, beschäftigt sich ein eigenes medizinisches Fachgebiet, die Psychodermatologie. In der Psychodermatologie werden Hauterkrankungen ganzheitlich gesehen und auf dieser Grundlage meist wirkungsvoll behandelt.
Die Funktion der Haut als Grenzschicht zur Umwelt spiegelt sich auch im Sprachgebrauch wider:
Oft müssen wir uns “unserer Haut wehren”. Die Sensiblen unter uns sind “dünnhäutig”, robustere Naturen haben ein “dickes Fell”. Wer sich fürchtet, bekommt eine “Gänsehaut”. Und wer sehr ärgerlich ist, möchte “aus der Haut fahren”. Erlebnisse, die uns verändern, gehen “unter die Haut”. Ein bewältigtes Problem “juckt” uns nicht mehr. Am liebsten legen wir uns “auf die faule Haut”. Und manch einer “fühlt sich” ganz einfach “wohl in seiner Haut”.
Nicht allen Depressiven sieht man ihre Gemütslage sofort an. Die Mehrzahl der Depressiven entwickelt zunächst körperliche Symptome oder erlebt Schwierigkeiten auf psychosozialer Ebene wie Ärger im Beruf oder Konflikte in der Familie.
Erst bei fortgeschrittenem Krankheitsverlauf registriert der Arzt oder der Patient selbst typische seelische Krankheitszeichen einer Depression wie Niedergeschlagenheit, Lust- und Freudlosigkeit oder Minderwertigkeitsgefühle.
Depressionen gehören zu den häufigsten Begleiterscheinungen chronischer Hauterkrankungen. Ob zuerst die Seele erkrankt oder die quälenden Hautprobleme allmählich auf die Psyche übergehen, ist nicht immer klar. Manchmal wird eine Depression auch durch eine Hautkrankheit “maskiert”.
Hautkrankheiten sind psychisch sehr belastend. Auch wenn sie nicht ansteckend sind, werden die Betroffenen häufig allein wegen ihres Aussehens ausgegrenzt. “Kranke Haut” provoziert am häufigsten die Furcht vor Ansteckung und damit Antipathie, Ablehnung, Widerwillen oder sogar Ekel.
Teufelskreis Hautkrankheit-Depression
Das Bild, das jeder Einzelne von sich selbst und seinem Körper hat, leidet erheblich, wenn sich eine Hautkrankheit einstellt. Damit sinken auch Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen.
Untersuchungen haben gezeigt, dass Menschen mit Hauterkrankungen häufig besonders sensibel sind für die Blicke ihrer Mitmenschen. Schon das Wegsehen anderer interpretieren sie als Ablehnung. Die Folge: Sie ziehen sich von ihrer Umwelt zurück, versuchen ihre Krankheit zu verbergen, werden depressiv oder betäuben sich mit Alkohol.
Patienten mit chronischen Hautkrankheiten und Depressionen können daher in einen wahren Teufelskreis geraten, aus dem sie nur mit professioneller Hilfe wieder herausfinden.
Hautkrankheiten, die häufig auftreten, und oft mit einer Depression einhergehen, sind:
Schuppenflechte (Psoriasis)
Psoriasis entsteht durch eine gestörte Verhornung der Haut. Typisches Kennzeichen der Psoriasis sind stark gerötete Flecken mit silbrigen Schuppen. Die betroffenen Hautpartien können linsenförmig klein sein oder sich über große Flächen ausbreiten. Meist sind Ellenbogen und Gelenke, die Streckseiten der Beine oder der Rumpf betroffen. Die Hälfte aller Psoriasis-Patienten hat Ausschläge am Kopf.
Neurodermitis (Atopische Dermatitis)
Neurodermitis ist eine chronische entzündliche Hautkrankheit, die sehr oft schon im Kindesalter auftritt. Die Krankheit verläuft in Schüben. Neurodermitis-Ausschläge findet man vor allem im Nacken, am Hals, an den Ohren, auf den Augenlidern, an den Gelenkbeugen wie Kniekehlen oder Ellenbogen.
Das charakteristische Krankheitsmerkmal von Neurodermitis ist starker anfallartiger Juckreiz, auf den der Patient unwillkürlich mit Kratzen reagiert. Starkes Kratzen verstärkt jedoch die Symptome. Die betroffenen Hautareale vergrößern sich, die Haut entzündet sich noch mehr. Mediziner vergleichen den Juckreiz in seiner Beeinträchtigung der Lebensqualität von einem chronischen Schmerzpatienten.
Nesselausschlag (Urtikaria)
Der Nesselausschlag tritt plötzlich auf und verschwindet ebenso plötzlich wieder. Oft geht er mit Schwellungen und so gut wie immer mit quälendem Juckreiz einher. Es gibt allergisch und nicht allergisch bedingte Formen dieser Störung. Die Krankheit kann akut oder chronisch verlaufen. Tritt der Nesselausschlag länger als sechs Wochen immer wieder auf, wird er als chronisch bezeichnet. Die Auslöser der Urtikaria sind vielfältig und können von bestimmten Substanzen in Arzneimitteln über einen Pilzbefall im Darm bis zu UV-Strahlen oder Stress in Beruf und Familie reichen.
Pruritus sine materia (Juckreiz ohne Ursache)
Mit “Pruritus” bezeichnen Mediziner einen wiederkehrenden Juckreiz, der ohne erkennbare organische Ursache auftritt. Pruritus entsteht häufig infolge psychischer Konfliktsituationen. Manchmal ist er auch Ausdruck einer “larvierten Depression”, der Patient nimmt nur seinen Juckreiz, nicht aber die eigentliche Krankheit, die “Depression”, wahr.
Rosacea
Rosacea, die “Rosenblüte”, ist die Bezeichnung für eine chronische und entzündliche Hauterkrankung des Gesichts, die durch rote, pickelähnliche Pusteln auf Wangen, Stirn, Nase, bisweilen auch am Dekolleté gekennzeichnet ist. Im fortgeschrittenen Stadium kann die Krankheit die Betroffenen regelrecht entstellen. Den Namen erhielt die Krankheit, weil die Pusteln nach dem Abheilen ein Netz an rot gefärbten Hautarealen hinterlassen. Betroffen sind fast immer Personen jenseits des 40. Lebensjahres; hellhäutige Typen mit roten Haaren scheinen besonders anfällig zu sein.
Akne vulgaris
Akne entsteht durch eine vermehrte Talgdrüsen-Produktion. Mitesser und Pickel sind die Folge. Der Beginn fällt häufig in das 12. Lebensjahr, bei Mädchen vor allem vor die erste Monatsblutung. Die Intensität kann sehr unterschiedlich sein, beide Geschlechter sind gleich häufig betroffen. Meist klingt Akne nach der Pubertät von selbst ab, doch gibt es auch eine Akne des Erwachsenenalters, bei der neben hormonellen Störungen vor allem psychische Faktoren eine Rolle spielen.
Auf der Grundlage einer möglichst genauen individuellen Diagnose kann für den Patienten ein “maßgeschneiderter” Therapieplan entwickelt werden.
Neben der Bestimmung der Hautkrankheit ist das zentrale Ziel der Diagnose, festzustellen, welche Gefühle, Verhaltensweisen, und Ereignisse auf das individuelle Krankheitsbild einwirken, den Krankheitsverlauf verschlechtern oder verbessern.
Erfassung der Krankengeschichte (Anamnese)
Die Anamnese ist das Kernstück der Diagnose der Zusammenhänge von Hautkrankheit und Depression. Zunächst wird der Patient ausführlich zu seiner Krankheitsgeschichte, seiner Lebenssituation und bisherigen Therapien befragt.
Hautuntersuchung
Meist kann bereits der Hautarzt durch die Betrachtung der Haut Art und Ausmaß der Hauterkrankung diagnostizieren und kann die Diagnose durch spezielle Hautuntersuchungen ergänzen und vervollständigen.
Psychodermatologische Testverfahren
Zur Diagnose von psychosomatischen Hautkrankheiten gibt es inzwischen einige psychodermatologische Testverfahren, die es ermöglichen, sowohl Art und Ausmaß der Hauterkrankung als auch der psychischen Belastung oder der Depression zu erfassen.
Mithilfe der Fragebögen und Tests kann der Facharzt sich ein genaues individuelles Bild über die Wechselwirkungen zwischen Hautkrankheit und Depression bei jedem Patienten verschaffen.
Weitere körperliche Untersuchung
Der ausführlichen Befragung und den Hautuntersuchungen schließt sich eine gründliche körperliche Untersuchung an, damit weitere Organ- oder Stoffwechselerkrankungen ausgeschlossen werden können.
Laboruntersuchungen
Grundsätzlich gehören zur Basisdiagnostik auch Laboruntersuchungen wie Blutbild, Blutsenkung und Urinuntersuchung. Die Diagnose mancher Hautkrankheiten wie Neurodermitis kann durch spezielle Blutuntersuchungen gesichert werden.
Bei Patienten, die sowohl an einer Hautkrankheit als auch an einer Depression leiden, sollten Psychotherapie, Verhaltenstherapie und Entspannungstechniken bei der Behandlung einen maßgeblichen Anteil einnehmen.
Die meisten psychosomatischen Dermatosen sind nicht heilbar. Die Heftigkeit und die Häufigkeit der Krankheitsschübe kann jedoch durch eine geeignete individuelle Therapie in den meisten Fällen wesentlich gemildert werden.
Hautpflege
Bei manchen Hautkrankheiten kann die konsequente Pflege der Haut mit vom Arzt verschriebenen Produkten das Hautbild verbessern und die Beschwerden lindern, bis die Erkrankung wieder abgeklungen ist.
Ausdauersport
Bewegung an der frischen Luft und Licht wirken sich auf viele Hautkrankheiten positiv aus. Regelmäßige Bewegung wirkt sich auch günstig auf depressive Verstimmungen aus.
Medikamentöse Therapie mit Antidepressiva
Steht die Depression im Vordergrund des Krankheitsbildes, wird der Arzt in den meisten Fällen Antidepressiva verordnen, die der Patient in Absprache mit dem behandelnden Arzt einnehmen sollte.
Wissenschaftler vermuten, dass Veränderungen im Stoffwechsel bestimmter Botenstoffe im Gehirn, z. B. Noradrenalin sowohl das Entzündungsgeschehen der Haut als auch die Entstehung von Depressionen beeinflussen. Antidepressiva verbessern z. B. selektiv den gestörten Serotonin- und Noradrenalinstoffwechsel.
Psychotherapie
Eine Psychotherapie kann dem Patienten helfen, den seelischen Ursachen der Hautkrankheit und/oder der Depression auf den Grund zu gehen. Der Patient kann herausfinden, welche Faktoren Krankheitsschübe auslösen und wie er diese besser bewältigen kann.
Verhaltenstherapie
Eine individuelle Verhaltenstherapie ermöglicht dem Patienten die zielgerichtete Veränderung seiner Erlebens- und Verhaltensmuster. So kann er z.B. lernen, seiner Umwelt gegenüber (wieder) selbstsicher aufzutreten oder eine bessere Kontrolle über das Kratzen zu bekommen.
Selbsthilfegruppen
Die Teilnahme an Selbsthilfegruppen hat für Patienten mit Hautkrankheiten und Depressionen eine große Bedeutung. Hier kann sich der Patient mit anderen Menschen austauschen, die ähnliche Probleme haben wie er selbst.
Entspannungstechniken
Entspannungstechniken wie Yoga, autogenes Training oder die progressive Muskelentspannung nach Jakobsen helfen dem Patienten, besser mit krankheitsauslösendem Stress fertig zu werden und damit die Häufigkeit der Krankheitsschübe zu verringern.