Bei Menschen mit Typ 2-Diabetes wird zu wenig Insulin von den Betazellen der Bauchspeicheldrüse produziert. Je länger die Erkrankung besteht und je nach Qualität der Blutzuckereinstellung ist der Verlust der Betazellfunktion der Bauchspeicheldrüse progredient. Die Glukose aus Kohlenhydraten, die mit der Ernährung aufgenommen werden, gelangt nicht mehr in die Zellen. Damit fehlt ein wichtiger Energielieferant für jegliche Zellfunktion.
Das Management der Diabetestherapie muss zunehmend angepasst werden, weil die Blutglukosewerte dynamisch schwanken zwischen Hyperglykämie und der gefürchteten Hypoglykämie. Während mit einem langwirksamen Basalinsulin zusätzlich zur oralen Diabetestherapie der Blutzucker möglichst über 24 Stunden kontrolliert sein soll, kann es dennoch nach den Mahlzeiten zu hohen Blutzuckerkonzentrationen kommen. Solche postprandialen Hyperglykämien werden üblicherweise mit einem kurzwirksamen Insulin reguliert. Bisher blieb allerdings die Frage unbeantwortet, welcher Diabetiker von einer prandialen Insulintherapie profitiert oder ob sich ein zusätzliches Mahlzeiteninsulin erübrigt.
Diese Frage wird nach neuen Publikationen anhand des BeAM-Faktors beantwortet. „Bei Menschen mit Typ 2-Diabetes und einem hohen BeAM-Wert sollte die basalunterstützte orale Therapie (BOT) durch eine prandiale Insulingabe wie Insulinglulisin zur BOT plus ergänzt werden“, sagte Dr. Stephan Kress aus Landau anlässlich einer Fachpresseveranstaltung von Sanofi in Berlin. Der richtige Zeitpunkt für die zusätzliche Gabe eines mahlzeitenbezogenen Insulin lässt sich anhand des BeAM-Faktors definieren, berichtet er unter Darstellung des Berechnungsmodus. Dazu muss der Blutzuckerspiegel vor dem zu Bett gehen gemessen und die Differenz zum Nüchternblutzucker ermittelt werden. Der Unterschied zwischen dem abendlichen und dem Nüchternblutzuckerwert ergibt die Begründung für den Einstieg in die additive prandiale Insulintherapie. Liegt dieser Wert unter 50 mg/dl (2,8 mmol) benötigt der Patient mit Diabetes noch keine zusätzliche Insulintherapie zu den Mahlzeiten. Oberhalb des Wertes von 50 mg/dl ist die Applikation eines kurzwirksamen Insulins zu den Mahlzeiten indiziert, berichtet Kress, der diese BOT plus-Therapie zur Stabilisierung und Normalisierung des 24-Stunden-Blutzuckerprofils präferierte.
Belegt wird dies durch die retrospektive Analyse gepoolter Daten aus der OPAL- und der POC-Studie, in denen Menschen mit Diabetes eine BOT erhielten, wenn die Erkrankung noch nicht lange bestand, der HbA1c noch zufriedenstellend, aber der Nüchternblutzucker erhöht war, und ein noch niedriger BeAM-Wert gemessen wurde.
Verglichen wurde dieses Kollektiv mit Diabetikern, deren Erkrankung schon länger bestand, deren HbA1c erhöht war und deren Nüchternblutzuckerwerte als grenzwertig interpretiert wurden (1,4,5). „In diesem Kollektiv sollte zusätzlich ein prandiales Insulin eingesetzt werden“, damit die Hyperglykämie nach den Mahlzeiten verhindert wird“, sagte Kress. Er begründete dies mit der Warnung vor einer weiteren Steigerung des Basalinsulins, die das Risiko für eine Hypoglykämie zu erhöhen könne (6).
Aus den Ergebnissen der Analyse leitet er klare Therapieempfehlungen für den Praxisalltag ab: Erreichen die Patienten mit oralen Antidiabetika keine ausreichende Blutzuckerkontrolle, wird ein Basalinsulin zur Senkung der basalen Hyperglykämie erforderlich, um die Nüchternglukose zum Zielbereich zu senken. Bewegt sich der NBZ bei Werte oberhalb von 100 mg/dl bis 140 mg/dl, sollte der BeAM-Wert bestimmt und möglichst ein BZ-Tagesprofil mit zweistündiger Messung vorgenommen werden, aus denen sich die Indizien für eine prandiale Insulinergänzung ergeben.
Liegt der BeAM-Wert höher als 50 mg/dl, wird eine effektive Intensivierung zu BOT plus vorgenommen für alle Diabetiker, die mit einer BOT die Blutzucker-Zielwerte nicht erreichen. Bei einer BOT plus wird zu einer Hauptmahlzeit das prandiale Insulin appliziert. Nach den Daten von Riddle (7) wird eine ebenso gute HbA1c –Verbesserung erzielt ,wie mit sofortiger intensivierter Insulintherapie (ICT). Als zusätzlichen Vorteil für die Patienten lassen sich die Gewichtszunahme durch BOT plus regulieren und die Hypoglykämie verringern.
Quellen:
1) Kress S et al., Poster 302, 50. Diabetes Kongress der Deutschen Diabetes Gesellschaft, Mai 2015, Berlin
2) Lankisch MR et al., Diabetes Obes Metab 2008;10(12):1178-85
3) Owens DR et al., Diabetes Obes Metab 2011,13(11):1020-7
4) Zisman A et al., Poster 1026, Jahrestagung der European Association for the study of Diabetes, September 2011, Lissabon,Portugal, http://www.abstractsonline.com/Plan/ViewAbstract.aspx?sKey=60f6e990-fe96-4fd8-b349-02413a90dc10&cKey=7fe115b8-774b-4b4c-bc4e-d0fe7f60118c&mKey=bafb2746-b0dd-4110-8588-e385faf957b7
5) Riddle MC et al., Diab Obes Metab 2013; doi 10.111/dom.12225