Treffen kann es jeden: Jeder zwanzigste Bundesbürger hat mindestens einmal in seinem Leben einen epileptischen Anfall mit motorischen, sensiblen, vegetativen oder psychischen Symptomen beziehungsweise plötzlich einsetzenden Bewusstseinsminderungen, Sinnestäuschungen, Zuckungen oder Krämpfen.
Mit modernen Arzneimitteln lässt sich die -durch eine funktionelle Störung des Gehirns hervorgerufene Erkrankung gut beherrschen. Mehr als 80 Prozent der Patienten werden unter modernen Antiepileptika anfallsfrei, hieß es auf einer Veranstaltung des Unternehmens Glaxo im Februar in Hamburg.
Die Spezialisten beklagten, dass Epilepsie-Patienten trotzdem noch immer vielen Vorurteilen ausgesetzt sind. Ängste und Unsicherheit prägen noch heute den Umgang mit dem Leiden. Die Zahlen sprechen für sich: Ist Epilepsie bis in das 19. Jahrhundert hinein mit “Besessenheit” erklärt worden, so halten selbst in unserer modernen Zeit Meinungsumfragen zufolge noch immer 20 Prozent der Bevölkerung Epilepsie für eine Geisteskrankheit.
Die Arbeitslosenrate unter Epilepsiekranken ist 2 bis 3 mal höher als in der restlichen Bevölkerung. 15 Prozent der Eltern lehnen es ab, ihre Kinder mit epilepsiekranken Kindern unterrichten oder spielen zu lassen.
Epilepsiekranke Frauen haben es vielfach noch deutlich schwerer als ihre männlichen Leidensgenossen.
In Folge der immer noch zu beobachtenden Stigmatisierung der Epilepsie werden sie im Berufsleben zusätzlich benachteiligt und in den Partnerbeziehungen besonders häufig unterdrückt. Auch sexueller Missbrauch kommt bei epilepsiekranken Mädchen gehäuft vor.
Aufgrund der immer noch gängigen Tabuisierung des Themas Sexualität, sogar in der ärztlichen Sprechstunde, wagen viele Frauen eben dieses Thema nicht anzusprechen und entwickeln ein unnatürliches Verhältnis zu ihrer Sexualität und Befangenheit bei allen Sozialkontakten, schilderte Privat-Dozentin Dr. Eva Bettina Schmitz, Berlin, ihre Erfahrungen.
Aus historischen Gründen besteht bei der Frage der Vererbung in Deutschland noch immer eine große Verunsicherung. Obwohl natürlich im Falle nahezu jeder Erbkrankheit auch Männer verantwortlich sein können, wird die Verursachung häufig allein den Müttern zugeschoben. Dieses ist umso fataler, als dass Epilepsie tatsächlich keine Erbkrankheit ist. Dennoch spielt die Sorge, die Krankheit weitergeben zu können, bei der Familienplanung epilepsiekranker Frauen oft eine hemmende Rolle.
“Es ist auf große Wissenslücken bei Medizinern zurückzuführen, dass Frauen nur zu oft ungerechtfertigt von einer Schwangerschaft abgeraten wird”, konstatierte Schmitz. Grundsätzlich können alle Frauen mit Epilepsie Kinder bekommen, betonte sie. Allerdings bedürfe die Betreuung einer Schwangerschaft bei einer epilepsiekranken Frau besonderer Kenntnisse. “Leider kennen sich viele Neurologen nicht ausreichend mit den hormonellen Aspekten aus.
Umgekehrt ist vielen Gynäkologen der Einfluss von Hormonen auf neurologische Erkrankungen wie Epilepsie nicht bewusst”, beklagte die Oberärztin, die die verstärkte Zusammenarbeit zwischen Nerven- und Frauenärzten forderte.
Epilepsie allein ist kein Grund, auf Kinder zu verzichten.
Mehr als 90 Prozent der Epileptikerinnen, die während der Schwangerschaft Antiepileptika eingenommen haben, bringen ein gesundes Baby zur Welt. Während Schwangerschaft und Geburt treten bei Epilepsie-Patientinnen kaum mehr Komplikationen auf als bei anderen Frauen, auch wenn das Risiko von Fehlbildungen gegenüber der allgemeinen Bevölkerung grundsätzlich um das zwei- bis dreifache erhöht ist, so hoben die Teilnehmer der Expertenveranstaltung hervor. Dennoch sollten betroffene Frauen eine Schwangerschaft niemals ungeplant auf sich zukommen lassen, mahnten sie an.
Bereits im Vorfeld sollten diese Frauen sich in die Hände kundiger Spezialisten begeben, um das relativ geringe, aber dennoch vorhandene Risiko auf ein absolutes Minimum zu reduzieren.