In Deutschland leben etwa 12.000 bis 15.000 Frauen mit dem Ullrich-Turner-Syndrom. Diese genetische Störung tritt bei cirka 1:2.500 Mädchengeburten auf. Ursache ist das vollständige oder teilweise Fehlen eines der beiden Geschlechtschromosomen in einigen oder allen Körperzellen. Das Ullrich-Turner-Syndrom ist gekennzeichnet durch eine Anzahl von variablen Veränderungen des äußeren Erscheinungsbildes und der inneren Organe. Die beiden Hauptkennzeichen sind Kleinwuchs und nicht ausgebildete Eierstöcke (Gonadendysgenesie), was zum Ausbleiben der Pubertät führt.
Ein stark ausgeprägtes Krankheitsbild kann auf den ersten Blick diagnostiziert werden. Aber nicht immer sind alle Merkmale vorhanden oder wahrnehmbar. Viele Mädchen mit Ullrich-Turner-Syndrom haben eine unauffällige Erscheinung. Neben den Hauptkennzeichen Kleinwuchs und Gonadendysgenesie können auch angeborene Herzfehler, Lymphödeme an Händen und Füßen, wodurch die Mädchen bereits häufig bei der Geburt auffallen oder häufige Infekte des Mittelohrs als Symptome auftreten. Die mittlere Endgröße für betroffene deutsche Mädchen liegt ohne Therapie bei 146 Zentimetern.
Frauen mit dem Ullrich-Turner-Syndrom leiden nach eigener Auskunft am stärksten unter der ausbleibenden Pubertät und ihrer geringen Körperhöhe. Zum einen kann die fehlende Entwicklung der weiblichen Merkmale zu sozialer Isolation führen, zum anderen wirkt sich das Ausbleiben des Pubertätswachstumsschubs oft negativ auf die psychische Verfassung der jungen Frauen aus. Hier besteht die Möglichkeit, die Mädchen medizinisch zu unterstützen. Unter einer Therapie mit Wachstumshormon konnte in allen Studien eine annähernde Verdoppelung der Wachstumsgeschwindigkeit belegt werden. Das zeigt, dass bei frühzeitigem Beginn und optimaler Abstimmung der Behandlung durch den Endokrinologen die Körperhöhe im Erwachsenenalter dieser Patientinnen verbessert werden kann. Wichtig ist außerdem eine altersgerechte Pubertätsentwicklung die mit Sexualhormonen eingeleitet wird. Die körperliche Reife der oft sehr kindlich erscheinenden jungen Frauen wird gefördert und der als Mangel empfundene Unterschied zu den Gleichaltrigen weitgehend ausgeglichen.
Ursula Kaufmann ist eine Frau, die Menschen genau ansieht und ihre Gedanken klar und ruhig formuliert. Sie ist Kinderärztin, 63 Jahre alt und hat zwei Töchter. Die ältere heißt Cornelia, ist 25 Jahre alt und leidet an einer genetisch bedingten Erkrankung, die als „Ullrich-Turner-Syndrom“ bezeichnet wird und nur bei Mädchen auftritt. Ursula Kaufmann berichtet von den Symptomen dieser Chromosomenstörung: „Die Hauptkennzeichen dieses Syndroms sind Kleinwuchs und nicht ausgebildete Eierstöcke. Bei Cornelia trat die Wachstumsstörung etwas später als bei den meisten betroffenen Mädchen auf. Erst im Alter von acht Jahren war die Abweichung von der Norm in der Wachstumskurve zu erkennen. Allerdings litt Sie als Kleinkind sehr unter Problemen im Hals-Nasen-Ohren-Bereich, was bei Kindern mit Ullrich-Turner-Syndrom häufig vorkommt.“
Eines der Hauptmerkmale, der Kleinwuchs, ist häufig zwischen dem fünften und sechsten Lebensjahr zu erkennen. Die Mädchen bleiben in Ihrer körperlichen Entwicklung zurück und nehmen zu diesem Zeitpunkt auch das erste Mal den Unterschied zu ihren gleichaltrigen Freundinnen wahr. Die Diagnose „Ullrich-Turner-Syndrom“ wurde bei Cornelia mit sechs Jahren, eher zufällig, im Rahmen anderer Untersuchungen gestellt. Es war ein großer Vorteil, dass rechtzeitig feststand, was die Ursache der Entwicklungsstörung war. So konnte sofort als der Kleinwuchs auftrat, die Therapie mit Wachstumshormon beginnen. „Wir wollten unserer Tochter ein normales Leben ermöglichen und ihr die Probleme ersparen, mit denen kleinwüchsige Menschen leben müssen. Mein Mann und ich sind Mediziner und wir wollten uns nicht vorwerfen, diese Therapiemöglichkeit versäumt zu haben. Es war nicht immer leicht, diese Behandlung konsequent durchzuführen, da Cornelia aufgrund zahlreicher Operationen der Ohren eine große Abneigung gegen Spritzen entwickelt hat.“ Bei einer Therapie mit Wachstumshormon bekommen die Kinder jeden Abend eine Injektion unter die Haut, die mit Injektionsnadeln oder nadellosen Pens erfolgen kann.
Die Belastung der Mädchen durch die unterschiedlichen Krankheitssymptome ist groß und Ursula Kaufmann stellt fest: „Erst als Cornelia verstand, dass das Ullrich-Turner-Syndrom sowohl die Ursache der Probleme im Hals-Nasen-Ohren-Bereich als auch der Grund ihrer Wachstumsstörung ist, konnte sie sich aus ihrer passiven Rolle lösen und bewusst die verschiedenen, aufeinander folgenden Therapieschritte mit uns gehen.“ Ein anderes, großes Problem der betroffenen Mädchen ist die ausbleibende weibliche Entwicklung. Die Fehlbildung der Eierstöcke beeinflusst das hormonelle Gleichgewicht und führt in den meisten Fällen zum Ausbleiben der Regelblutung. Während bei den gesunden Freundinnen die Pubertät begann, musste bei Cornelia eine Therapie mit Sexualhormonen die Entwicklung unterstützen. Frauen mit dem Ullrich-Turner-Syndrom können ganz normale Partnerschaften führen, aber meist keine Kinder bekommen. Cornelia ist heute 158 Zentimeter groß, kann eine normale Kleidergröße tragen und die Dinge des Alltags ohne körperliche Einschränkung bewältigen. In Deutschland leben cirka 12.000 bis 15.000 Frauen mit dieser Chromosomenstörung.
Kontakt zu Selbsthilfeorganisationen:
Turner-Syndrom-Vereinigung Deutschland e.V. www.turner-syndrom.de
Kerstin Subtil – Telefon: 06106-2 66 77 53
beratung@turner-Syndrom.de
Bundesverband Kleinwüchsige Menschen und ihre Familien e. V. www.bkmf.de
Beratungsstelle – Telefon: 0421-50 21 22
info@bkmf.de
Weitere Informationen erhalten Sie bei:
Pressestelle „Forum Wachsen“: Yvonne Knittel
Postfach 2133
82103 Germering
Telefon: 089-89 45 78 40, Fax: 089-89 45 78 35
E-Mail: yvonne.knittel@forumwachsen.de