Bei Menschen, die unter chronischem Stress leiden, sind offenbar andere Gene aktiviert als bei Personen, die nicht unter einem solchen Druck stehen. „Diese Aktivierung bestimmter Gene scheint zu einem permanenten Alarmzustand des Immunsystems zu führen, der dann wiederum die Entwicklung körperlicher und psychischer Erkrankungen wie Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Depressionen begünstigt“, berichtet Dr. Christa Roth-Sackenheim, Vorsitzende des Berufsverbandes Deutscher Psychiater (BVDP) und bezieht sich dabei auf eine Studie von Forschern um Gregory Miller, die in der Fachzeitschrift Biological Psychiatry veröffentlicht wurde. Hierin hatten die Wissenschaftler untersucht, wie sich die seelische Belastung von Menschen, die einen an Krebs erkrankten Angehörigen pflegten, auf für das Immunsystem relevante Gene auswirkt.
Dazu verglichen sie die Genmuster in speziellen weißen Blutkörperchen (den Monozyten) von chronisch gestressten Menschen mit der Genaktivität bei nicht belasteten Personen. „Diese Veränderung des Genmusters führt dazu, dass die Immunzellen weniger stark auf das körpereigene Hormon Cortisol reagieren, das normalerweise die Immunreaktion dämpft und damit entzündliche Prozesse verringert. Im Gegenteil, die Zellen reagieren empfindlicher auf Signale, die einer Entzündung Vorschub leisten“, erklärt Dr. Roth-Sackenheim. „Bei allen Studienteilnehmern wurden dabei sehr ähnliche Cortisol-Spiegel gemessen, das bedeutet, dass bei den Immunzellen das Signal, die Entzündung zu stoppen, nicht ankommt.“ Diese Erkenntnisse helfen, zu verstehen, weshalb chronischer Stress zu einer permanenten Aktivierung des Immunsystems führt.
Denn: Bislang waren Wissenschaftler davon ausgegangen, dass ein erhöhter Cortisol-Spiegel der Grund dafür ist, dass Stress zur Entwicklung von Krankheiten beiträgt. Diese Studie zeigt jedoch, dass auch eine zu schwache Wirkung von Cortisol Prozesse auslösen kann, welche die Entstehung von Krankheiten begünstigen. Eine Chance, so hoffen es die Forscher, bieten diese neuen Erkenntnisse auch: Mit zunehmendem Verständnis der Verbindung zwischen Stress und der Entwicklung von Krankheiten wie beispielsweise Depressionen, nehmen die Chancen zu, diese Erkrankungen frühzeitig zu erkennen oder zu verhindern.