Der Heuschnupfen oder die allergische Rhinitis ist die häufigste immunologische Erkrankung der Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde.
Etwa 15 Prozent der europäischen Bevölkerung leiden an dieser Erkrankung. Sie wird durch körperfremde Allergene ausgelöst, welche vorwiegend über die Nasenschleimhaut eindringen. Als Ursachen sind bei Heuschnupfen bzw. allergischer Rhinitis ein offenbar vererbter Immundefekt und Allergene in der Atemluft bekannt.
Die Erstdiagnose wird meist zwischen dem 10. und 30. Lebensjahr gestellt. Bei Kindern von Eltern mit allergischer Erkrankung wird die Erstdiagnose oft vor dem 10. Lebensjahr gestellt. Das Erkrankungsrisiko beträgt etwa 25 Prozent bei einfacher und 50 Prozent bei doppelter familiärer Belastung.
Der allergische Schnupfen tritt als perenniales (ganzjähriges) oder saisonales Krankheitsbild auf.
Die saisonale allergische Rhinitis wird durch Allergene ausgelöst, welche nur zu bestimmten Zeiten des Jahres auftreten. Meist handelt es sich um Pollenallergene von Gräsern, Bäumen und Kräutern. Je nach Intensität des Pollenfluges setzen die Symptome oft schlagartig ein:
Nach einer Woche kommt es zusätzlich zum reduzierten Riechvermögen. Bei Mitbeteiligung der Augen (in ca. 80-90 Prozent d. F.) entstehen hier Juckreiz, Tränenfluss, Rötung der Bindehaut und Lidschwellung. Auch die Nasennebenhöhlen sind häufig beteiligt.
Gemeinsam mit diesen Beschwerden tritt ein allgemeines Krankheitsgefühl auf, verbunden mit Schwäche, Müdigkeit und Abgeschlagenheit; erhöhte Temperaturen fehlen. Deshalb ist die Bezeichnung „Heufieber“ nicht unbedingt richtig.
Eine perenniale allergische Rhinitis wird durch ganzjährige Allergene ausgelöst. Drei bis sechs Prozent der Bevölkerung in Westeuropa leiden daran (Stockschnupfen, Fließschnupfen). Besonders bei ganzjährigem Stockschnupfen ist die Verbindung mit Asthma bronchiale und Hautallergien auffällig. Das klinische Bild ist gekennzeichnet durch „Nasenatmungsbehinderung“ (Stockschnupfen). Niesattacken treten mehrmals am Tag auf, der Juckreiz ist ständig unterschwellig vorhanden. Wichtige Beispiele aerogener Allergenquellen sind Hausstaubmilben, Epithelien und Sekrete von Haustieren sowie Schimmelpilze. Typisch sind verstärkte Beschwerden am Morgen, ausgelöst durch eine hohe Allergenexposition während der Nacht.
Während bei der saisonalen Symptomatik häufig ein Kitzeln in den Nasenhaupthöhlen, dem Nasenrachenraum, ein Brennen und Trockenheitsgefühl der Schleimhaut von Mund und Rachen sowie Juckreiz der medialen Augenwinkel und gelegentlich der äußeren Gehörgänge imponiert, können Mitbeteiligungen des Kehlkopfes und Rachens festgestellt werden.
Bei ganzjähriger allergischer Rhinitis kann es außer der behinderten Nasenatmung zur Nasenmuschelhyperplasie kommen, die mit Räusperzwang und nasaler Sprache verbunden sein kann. Die ständig behinderte Nasenatmung kann zu Schlaflosigkeit, Reduktion des Allgemeinzustandes, Kopfschmerzen und chronischer Pharyngitis führen.
Bei der Untersuchung der Nasenhaupthöhle spielt vor allem die Betrachtung der vorderen und hinteren Nasenabschnitte durch ein Endoskop (Rhinoskopie) eine wichtige Rolle. Häufig findet man bei der saisonalen allergischen Rhinitis eine bläulich (livide) verfärbte Schleimhaut mit Aufquellung, die entzündlich gerötet und geschwollen ist. Meist sind die unteren Muscheln besonders deutlich verändert. Der allergische Fließschnupfen ist weißlich bis klar, dünnflüssig, nahezu wässrig, manchmal auch zäh und klebrig. Auch die sonographische Betrachtung der Nebenhöhlen ist wichtig, um Mitbeteiligungen der Nebenhöhlen festzustellen. Prick-Hauttests durch Applikation von Reizstoffen auf die Haut helfen, eine Allergie festzustellen.
Bei einer unbehandelten Rhinitis allergica muss mit einer Verschlimmerung im Laufe von Jahren gerechnet werden. Neben den organischen Veränderungen in der Nase kann sich das allergische Geschehens auf andere Organsysteme, vor allem auf das Bronchialsystem, übergreifen.
Nasenmuschelhyperplasie
Als chronisch allergische Entzündungsreaktion kann es zur Hyperplasie der Nasenschleimhaut kommen. Die Schleimhaut ist aufgequollen, teilweise entzündlich gerötet und geschwollen, teilweise bläulich verfärbt. An den Schleimhäuten zeigt sich eine Verdickung der Schleimhaut um das Dreifache. Die Schwellungszustände vor allem der unteren Nasenmuscheln sind abhängig von Raumtemperatur, Allergenexposition, Temperatur und körperlicher Aktivität. Im Liegen nimmt die nasale Obstruktion zu.
Septumdeviation:
Deformitäten der Nasenscheidewand gehören zu den häufigsten pathologischen Veränderungen. Hierbei muss davon ausgegangen werden, dass in der weißen Bevölkerung zu ca. 70 Prozent genetisch bedingt, familiär gehäuft, Verdickungen der Nasenscheidewand auftreten, die zu einer Ventilationsstörung führen können. Das vordere Drittel der Nasenscheidewand besteht aus Knorpel, der Wachstumstendenzen bis ins mittlere Alter zeigt. Es kommt in jungen und mittleren Jahren zu einer Vergrößerung des Knorpels der Nasenscheidewand, der aufgrund der engen anatomischen Verhältnisse sich zunächst immer mehr in die Nasenhaupthöhlen verbiegt. Dies führt zu einer weiteren Belüftungsstörung. Als weitere Folge einer Septumdeviation kann es zu Riech- und Tubenventilationsstörungen, Kopfschmerzen, Minderbelüftung und Drainagestörung der Nasennebenhöhlen kommen, die zu einer Einschränkung des mukoziliaren Transportes führen.
Concha bullosa:
Eine funktionell relevante Einengung des mittleren Nasenganges mit Abschottung und Entzündung der nachgeschalteten Nasennebenhöhlen kann durch anatomische Varianten, wie beispielsweise eine Concha bullosa, resultieren. Hierbei handelt es sich um die Einlagerung von lufthaltigen, mit Schleimhaut ausgekleideten Zellen im Bereich der mittleren Nasenmuschel, die diese wie einen Luftballon aufblasen.
Bei fehlender Behandlung schreitet die allergische Erkrankung in drei Richtungen fort. Es kommt zur Zunahme der Sensibilisierung, Verbreiterung des Allergenspektrums und Organbeteiligung. Dadurch nimmt der Schweregrad der Symptome gegenüber identischen Allergenen im Laufe von Jahren zu. Der Manifestationszeitraum der saisonalen Allergene verlängert sich von Jahr zu Jahr. Es kann eine perenniale nasale Allergie hinzutreten. Bei unbehandelten Allergikern erfasst die Erkrankung nicht selten die tieferen Luftwege, was von einer Tracheobronchitis oder spastische Bronchitis bis zum Asthma bronchiale reichen kann. Als Sonderform ist ein „Etagenwechsel“ möglich, bei welchem die Symptomatik der Nasenhaupthöhle verschwindet und ein Asthma bronchial verbleibt.
Chronische Sinusitis
Allergische Rhinitis und chronische Sinusitis treten häufig gleichzeitig auf. Bei ca. 85 Prozent der Patienten mit langjähriger perennialer Rhinitis allergica auf Milben finden sich Verschattungen im Siebbeinbereich. Diese Veränderungen bleiben oft symptomlos. Nur in ungefähr der Hälfte der Fälle gibt es klinische Symptome einer chronischen Sinusitis. Eine chronische nasale Allergie scheint eine chronische Sinusitis zu begünstigen. Man findet eine Zunahme der Schleimhautschwellungen in den Nasennebenhöhlen. Ursache sind die andauernden Ventilationsstörungen und Abflussbehinderungen der betroffenen Nasennebenhöhlen.
Nasenpolypen (Polyposis nasi)
Nasenpolypen entwickeln sich durch eine chronische Entzündungsreaktion bevorzugt im mittleren Nasengang und im Bereich der Nebenhöhlenöffnungen. Sie sind keine allergische Erkrankung, sondern durch die Entzündung hervorgerufen. Bei ausgeprägter Polyposis nasi findet man eine Beeinträchtigung des Geruchsinnes, oft besteht ein Begleitasthma bzw. eine Aspirinsensitivität. Sowohl bei Kindern als auch bei Erwachsenen stehen die nasale Obstruktion und die zunehmende Riechstörung im Vordergrund. Bei inadäquater Therapie der Polyposis nasi im Kindes- und Jugendalter drohen Entwicklungsstörungen des Gesichtsskelettes und eine druckbedingte Verbreiterung des knöchernen Nasengerüstes.
Sinubronchiales Syndrom
Aufgrund entzündlicher Reaktionen im Nasen- und Nebenhöhlenbereich kommt es zu einem Überwiegen der Mundatmung. Die Atemluft wird nicht mehr angewärmt, gefiltert und angefeuchtet. Daraus entwickelt sich eine absteigende Entzündung, die den Kehlkopf und die unteren Atemwege (Bronchien) einbezieht. Bei dieser Sinubronchitis sollte bei Kindern wegen der behinderten Nasenluftpassage an eine vergrößerte Rachenmandel (Adenoid) gedacht werden.
Bei Patienten mit klinisch relevanten Inhalationsallergien verstärken pathologische Veränderungen der Nase und angrenzenden Nasennebenhöhlen häufig die Symptomatik. In diesen Fällen führen rhinochirurgische Eingriffe oft schlagartig zu einer Linderung der Beschwerden, obgleich die allergische Grundkrankheit weiter besteht.
Operative Eingriffe bei Nasenmuschelhyperplasie
Kommt es zu einer Hyperplasie der Nasenschleimhaut aufgrund einer chronisch-allergischen Entzündungsreaktion, reicht die antiallergische Therapie nicht mehr aus, um die nasale Obstruktion vollständig zu beseitigen. Es ergibt sich die Indikation zur Nasenmuschelkaustik (elektrische Verödung der Schleimhaut) oder zur Conchotomie (Keilresektion der überschüssigen Schleimhaut). Diese beiden klassischen Verfahren werden durch moderne Verfahren ergänzt, die ambulant in Oberflächenanästhesie durchgeführt werden können. Hierbei kommt die Laserbehandlung der unteren Nasenmuscheln in Frage oder, bei ausgeprägten Muschelhyperplasien, in örtlicher Betäubung die so genannte Conchosuction, die mit neuartigen oszillierenden Messern durchgeführt wird.
Operative Eingriffe an den mittleren Nasenmuscheln bei Concha bullosa
Liegt eine deutliche Einengung des mittleren Nasenganges durch eine anatomische Variante vor, sollte eine Engstellenchirurgie erfolgen. Dabei wird unter örtlicher Betäubung oder in Vollnarkose die seitliche Wand der mittleren Nasenmuschel endoskopisch oder mikroskopisch abgetragen, um so wieder eine einwandfreie Belüftung der Nebenhöhlen zu gewährleisten.
Eingriffe an der Nasenscheidewand
Verbiegungen der Nasenscheidewand sind die häufigsten Veränderungen in der Nasenhaupthöhle. Symptomatisch können sie zur Behinderung der Nasenatmung, Schleimhautschwellung, Riech- und Tubenventilationsstörung, Kopfschmerzen und Minderbelüftung der Nebenhöhlen führen. Hieraus ergibt sich die Operationsindikation. Die Begradigung der Nasenscheidewand wird, meist in Vollnarkose, durch das Nasenloch durchgeführt, wobei sich postoperativ keine Änderungen der äußeren Nase zeigen sollten.
Operationen der Nasennebenhöhlen
Vor jedem operativen Eingriff im Nasenbereich sollte entweder ein Computertomogramm, ein Kernspintomogramm oder eine Computervolumentomographie der Nebenhöhlen erfolgen. Außerdem helfen diese modernen Schichtbildverfahren mögliche Normvarianten von Augenhöhlen und Schädelbasis, an die die Nebenhöhlen angrenzen, darzustellen.
Unter Zuhilfenahme von Endoskopen und Mikroskopen wird eine Verbesserung der Ventilation und Drainage der Nebenhöhlen angestrebt, wobei nur polypös veränderte Schleimhaut abgetragen wird. Dies erfolgt schonend mit einem Shaver (oszillierendes Messer), der die Schleimhaut an den kritischen Stellen abträgt.
Liegen zusätzlich Nasenpolypen vor müssen die Nebenhöhlen mit saniert werden. Bei sehr ausgedehnten Befunden oder bei Rezidivoperation führen wir diese endoskopische und mikroskopische Nebenhöhlensanierung mit einem Navigationssystems (computerassistierte Nebenhöhlenchirurgie) durch. Dadurch wird das Risiko von Verletzungen im Augenhöhlenbereich, am Sehnerv oder an der Schädelbasis auszulösen, deutlich minimiert.
Liegen ausgeprägte pathologische Veränderungen im Nasen- oder Nebenhöhlenbereich vor, wird ohne operative Therapie die konservative, antiallergische Therapie zu keiner nachhaltigen Beschwerdeminderung führen. Operative Eingriffe können oft eine sofortige Besserung der Symptomatik bringen. Sie ersetzen jedoch nicht die antiallergische Medikation. 50 Prozent des Operationserfolges hängen von einer regelmäßigen ambulanten Nachbetreuung und Behandlung ab.