Frau B. ist die Mutter von drei Jungen: Michael (14), Alexander (9) und Florian (6). Alle drei leiden an MPS I-Scheie, der verzögerten Verlaufsform von MPS I. Die richtige Diagnose wurde bei den drei Jungen erst im Jahr 2000 gestellt.
Auf den ersten Blick ist den Jungen nichts von ihrer Krankheit anzusehen. Ihre Intelligenz ist normal, sie leiden jedoch unter massiven körperlichen Beeinträchtigungen.
Die Krankheit verläuft bei den Geschwistern sehr ähnlich. Alle drei sehen nicht mehr gut und tragen eine Brille. Leber und Milz sind vergrößert, die Gelenke werden mit zunehmendem Alter immer steifer, sie können die Schulterblätter nicht richtig bewegen. Die Füße sind verkrümmt, die Jungen laufen auf den Zehenspitzen. Sie können die Hände nicht vollständig schließen, können aber noch gut greifen und auch schreiben. Da Florian der jüngste ist, sind bei ihm die Symptome bisher am wenigsten stark ausgeprägt.
Michael, der älteste, leidet jedoch aufgrund von MPS I bereits zusätzlich zu den anderen Symptomen unter einer Herzmuskelerkrankung und muss regelmäßig Medikamente nehmen. Früher hat er Fußball gespielt, heute kann er keine weiten Strecken mehr gehen.
Auch die Entwicklung des „Spitzfußes“ ist bei ihm am weitesten fortgeschritten. Erst vor kurzem sind seine Füße operiert worden, damit Michael wieder richtig laufen kann. Nach der Operation hatte er zunächst ziemliche Schmerzen. Aber das Operationsergebnis ist sehr gut. Das macht Mut. Derzeit behilft er sich mit dem Rollstuhl oder läuft an Krücken.
Michael erhält seit Herbst 2002 regelmäßig Enzym-Infusionen, sein jüngerer Bruder Alexander seit Frühjahr 2003. Der jüngste Sohn, Florian, begann 2005 ebenfalls mit der Enzymersatztherapie.
Leber- und Milzgrößen haben sich seit Beginn der Enzymersatztherapie bei den beiden älteren Jungen schnell normalisiert. Die Beweglichkeit der Gelenke hat sich zwar noch nicht entscheidend verbessert, ist aber auch nicht schlechter geworden. Ob Michaels Herzmuskelerkrankung besser geworden ist, bleibt abzuwarten, da er wegen der Operation in seiner Beweglichkeit eingeschränkt ist und daher das Herz keinen besonderen Belastungen ausgesetzt ist.
Frau B. arbeitet Teilzeit, der Ehemann geht einer Vollzeitbeschäftigung nach, die beiden älteren Söhne besuchen die Schule, der jüngste den Kindergarten. Die Integration der Enzymersatztherapie in den Alltagsablauf erfordert großes organisatorisches Geschick. Die Familie hat einen straffen Zeitplan entwickelt, damit alles geschafft werden kann. „Meine Jungs sind sehr kooperativ. Sie unterstützen sich gegenseitig und machen total gut mit“, sagt Frau B. „Wir genießen jetzt immer ganz bewusst unser Wochenende und entspannen uns. Trotz aller Schwierigkeiten haben wir aber auch immer viel Glück gehabt. Alle Menschen in unserer Umgebung haben uns geholfen.“
Zurzeit erhalten alle drei Jungen einmal pro Woche jeweils drei Stunden lang eine Infusion. Eine gute Bekannte der Familie hat dabei geholfen, eine geeignete Klinik mit der erforderlichen Ausstattung in der Nähe zu finden, so dass die Fahrzeit jetzt nur noch eine gute halbe Stunde beträgt.
Frau B. und ihre Söhne sind an einem Nachmittag in der Woche zur Klinik unterwegs. Lehrer und Mitschüler helfen, wo sie können. Die Termine für die Infusionen wurden so organisiert, dass die beiden schulpflichtigen Jungen in der Lage sind, das Versäumte möglichst leicht nachzuholen. Michael verpasst z.B. den Sportunterricht, von dem er aufgrund seiner Herzschwäche sowieso befreit ist. Die Klassenkameraden kopieren ihre Mitschriften, die Lehrer arbeiten, wenn nötig, Pläne aus, damit die Jungen den Stoff nachholen können.
Auch für Michaels operationsbedingte momentane Unbeweglichkeit hat die Schule eine Lösung gefunden, die das zeitliche und finanzielle Budget der Familie entlastet. Der Direktor hat ein Taxi organisiert und dafür gesorgt, dass das Schulamt die Fahrtkosten trägt. „Auf diese Idee wäre ich selber gar nicht gekommen“, sagt Frau B, „selbstverständlich hätte ich meinen Sohn auch jeden Tag gefahren.“
Michael hat feste Pläne für die Zukunft. Er will sein Fachabitur machen und später studieren. Trotz der Operationen an seinen Füßen will er das Schuljahr nicht wiederholen. „Der Michael ist ein total tapferer Kämpfer“, sagt seine Mutter. „Ich glaube er hat begriffen, dass es um sein Leben geht. Er weiß, dass ihm die Enzymersatztherapie zu einer besseren Gesundheit verhilft, dass es aber auch von ihm selbst abhängt, was aus ihm wird.“
„Eigentlich kann ich nur Gutes berichten. Ich habe meine Sorgen, aber ich sehe oft, alles könnte noch viel schlimmer sein“, so Frau B. „Ich wünsche mir, dass meine Kinder so normal wie irgend möglich leben können.“
Mithilfe der Enzymersatztherapie kann dieser Wunsch voraussichtlich Wirklichkeit werden.
* Alle Namen wurden geändert
Quelle: Telefonat mit Frau B., Mutter von Michael (14), Alexander (9) und Florian (6).