Bettina D. ist eine Patientin mit MPS I-Scheie, der verzögerten Verlaufsform von MPS I. Ihr Bericht macht deutlich, dass auch Scheie-Patienten unter einer schweren chronischen Krankheit leiden, die Schmerzen, zahlreiche Operationen und starke Beeinträchtigung der Alltagskompetenz und Lebensqualität mit sich bringen kann.
Bettina D. wurde 1971 nach unkomplizierter Schwangerschaft geboren. Sie hat zwei Halbgeschwister, die nicht von MPS I betroffen sind. Eine Schwester starb im Alter von 6 Jahren, als Bettina 2 Jahre alt war.
Die ersten Symptome von MPS I zeigten sich bereits im 3. bis 4. Lebensjahr, wurden aber nicht als solche diagnostiziert. Bettina D. konnte die Finger nicht richtig strecken und war ungeschickt, wenn sie mit Messer und Gabel aß. Gegen die zunehmende Gelenkversteifung verordnete der Kinderarzt Krankengymnastik.
Sie hatte mehrere schmerzhafte Mittelohrentzündungen, hörte immer schlechter und litt häufig unter Durchfällen. Später kamen noch wiederkehrende Infektionen der oberen Atemwege dazu.
Bereits mit sechs Jahren wurde sie das erste Mal operiert. Ihre Mandeln mussten entfernt werden. Als sie 14 war, folgten Operationen an den Gehörgängen, um die Häufigkeit der Mittelohrentzündungen zu verringern und ihr zu einem besseren Hörvermögen zu verhelfen. Mit 15 wurde sie an beiden Händen an einem Karpaltunnelsyndrom operiert.
In der Pubertät und im frühen Erwachsenenalter brachten die körperlichen Symptome auch seelische Probleme mit sich. Bettina D. hatte aufgrund ihrer Krankheit eine leicht gedrungene Gestalt und eine vergrößerte Leber. Sie hatte Schwierigkeiten, ihren Körper zu akzeptieren und litt längere Zeit unter Essstörungen.
Erst als Bettina D. 25 Jahre alt war, vermutete ein Allgemeinmediziner, dass ihre Beschwerden auf eine genetisch bedingte Stoffwechselerkrankung zurückzuführen sein könnten. Anlass für seine Vermutung waren Bettinas Gelenkversteifungen in Kombination mit Herzproblemen. Nun wurde Bettina D. gezielt untersucht. Eine Röntgenaufnahme zeigte die für MPS I charakteristischen Skelettveränderungen. Eine Urinuntersuchung ergab erhöhte Ausscheidungen von Heparan- und Dermatansulfat. Der Nachweis der fehlenden Aktivität von α-L-Iduronidase sicherte die Diagnose endgültig ab.
Bettina D. hatte Glück. 2001 konnte sie an der Phase III Studie der Enzymersatztherapie teilnehmen. In den ersten 26 Wochen bekam sie Placebo, danach das richtige Medikament.
Zu dieser Zeit bereitete ihr die Krankheit große Probleme. Über viele Jahre hatte sich ihre Sehfähigkeit so verschlechtert, dass sie keine Arbeiten am Computerbildschirm mehr ausführen konnte und ihre Berufstätigkeit als Groß- und Außenhandelskauffrau aufgeben musste. Eine Hornhauttransplantation war notwendig, um ihr Sehvermögen wieder so zu verbessern, dass sie ihre Arbeit wieder aufnehmen konnte.
Ungeachtet aller gesundheitlichen Beschwerden wurde die glücklich verheiratete Patientin mit 28 Jahren Mutter eines gesunden Sohnes.
Bereits nach zweieinhalb Jahren Enzymersatztherapie hatte sich ihr Leben grundlegend verändert. Ihre Lebergröße hatte sich normalisiert. Die körperliche Belastbarkeit und ihre Beweglichkeit hatten sich deutlich verbessert.
„Seit ich mit der Enzymersatztherapie begonnen habe, haben sich meine Gesichtszüge verändert, meine Haare sind viel weicher geworden. Seit dem Beginn der Therapie bin ich auch viel aktiver geworden. Ich habe keine Verdauungsprobleme mehr und kann wieder Münzen aus dem Portemonnaie nehmen, wenn ich einkaufen gehe. Ich kann meine Haare wieder alleine waschen und kämmen“, sagt Bettina D. glücklich.
Ihr gesundheitlicher Zustand hat sich kontinuierlich weiter verbessert. Heute meistert sie ihre Krankheit und genießt ihr Leben. Sie versorgt ihre Familie und den Haushalt. Sie kann wieder wandern und Rad fahren.
Ihre einzige Einschränkung besteht in der regelmäßigen Fahrt ins Krankenhaus zur Infusion.
* Name wurde geändert
Quelle: Vortrag der Patientin Bettina D. anlässlich des 8th International Symposium on Mukopolysaccharide and related Diseases, Mainz, Juni 2004