Bei 3-5 Prozent der Schulkinder zeigen sich ADHS-typische Auffälligkeiten. Jeder Lehrer wird mit großer Wahrscheinlichkeit irgendwann in seinem Berufsalltag mit der Aufmerksamkeitsdefizit- / Hyperaktivitätsstörung (ADHS) konfrontiert. Informieren Sie sich daher über die Erkrankung und lernen Sie den richtigen Umgang mit den betroffenen Kindern. Es gibt eine Menge Hilfen und Unterstützungen, mit denen Sie als Lehrer Kindern mit ADHS helfen und sich selbst das Unterrichtsleben leichter machen können.
Als Lehrer sollten Sie die typischen ADHS-Auffälligkeiten kennen und störendes Verhalten der betroffenen Kinder nicht als Böswilligkeit, Faulheit oder Unerzogenheit interpretieren. Achten Sie auch auf Kinder, die weniger auffällig sind, aber dennoch erhebliche Probleme mit ihrer Aufmerksamkeit haben. Diese Kinder könnten unter einer ADHS-Variante leiden, bei der nicht die Hyperaktivität im Vordergrund steht, sondern die Störung der Aufmerksamkeit.
Bedenken Sie, dass manche Kinder erst im Klassenverband auffällig werden, zu Hause jedoch keine Probleme haben. Manche Eltern wissen also nichts von den Schwierigkeiten, die ihr Kind in der Schule hat. Führen Sie daher ein Gespräch mit den Eltern und schildern Sie neutral und ohne Vorwürfe, was Ihnen aufgefallen ist.
Tipps für Lehrer im Umgang mit ADHS-Kindern:
Versuchen Sie, zu dem Kind einen „guten Draht” zu bekommen. Akzeptanz und Verständnis sind die Basis für eine gute Lehrer-Schüler-Beziehung und fördern positive Lernerfahrungen.
Schaffen Sie eine angstfreie Atmosphäre, in der sich auch ein Kind mit ADHS traut, mehrmals nachzufragen, wenn es nicht aufgepasst oder etwas nicht verstanden hat.
Treten Sie nicht arrogant gegenüber dem Schüler auf, aber reden Sie auch nichts schön.
Schaffen Sie eine humorvolle Atmosphäre. In einer Klasse, in der auch mal gelacht werden darf, lernt es sich besser.
Finden Sie die Stärken des Kindes heraus und fördern Sie diese gezielt. Dadurch verstärken Sie die wünschenswerten Verhaltensweisen. Durch Lob und Zuwendung kann mehr erreicht werden, als durch Kritik und Strafen.
Loben Sie, wenn das Kind sich anstrengt und Regeln befolgt. Dann wird es sich öfter daran halten und mit Anforderungen auch besser zurecht kommen.
Geben Sie dem Kind verantwortungsvolle Aufgaben, denen es gewachsen ist. So zeigen Sie ihm, dass Sie es wichtig nehmen!
Beantworten Sie Fragen, die das Kind stellt, verständlich und deutlich. Vermeiden Sie Abschweifungen.
Fordern Sie gleichmäßiges Lernen ein und zeichnen Sie in jeder Stunde die Hausaufgaben ab. Kinder mit ADHS brauchen eine Art Coach, der sie mit Strenge, aber liebevoller und sanfter Unterstützung führt.
Geben Sie Ihrem Unterricht eine klar nachvollziehbare Struktur. Kinder mit ADHS müssen wissen, wie der bevorstehende Schultag ablaufen wird. Sie versuchen, sich an die Vorgaben zu halten, wenn sie keinen Ärger wollen. Mit plötzlichen Veränderungen können sie häufig schlecht umgehen.
Reduzieren Sie Dinge in der Klasse, die ablenken könnten: Entfernen Sie visuelle Reize, sorgen Sie dafür, dass unnötige Geräusche während der Klassenarbeit untersagt sind, setzen Sie das Kind in Ihre Nähe statt ans Fenster oder die Tür.
Verstärken Sie die “Aufnahme-Antennen”: Halten Sie mit dem Kind Blickkontakt, erwecken Sie Aufmerksamkeit mit Farben an der Tafel, heben Sie wichtige Punkte in Ihren Mitteilungen durch veränderte Tonlage oder Aussagen wie: „Aufgepasst!” hervor.
Achten Sie auf viel körperliche Bewegung in den Pausen als Ausgleich zum ruhig sitzen im Unterricht.
Machen Sie sich keine Sorgen, dass das Kind mit ADHS durch die spezielle Behandlung eine Sonderstellung in der Klasse erhält und sich die anderen Kinder benachteiligt fühlen. Das Problem wird nicht auftreten, wenn Sie es offen mit der Klasse besprechen. Da das Kind mit ADHS bei seinen Mitschülern bereits als „Problemkind” bekannt ist, können Sie durch Aufklärung großes Verständnis und Anteilnahme erreichen, oft mehr als Sie vermuten. Wenn Sie entsprechend einfühlsam vorgehen, wird sich das Kind mit ADHS auch nicht durch die Thematisierung des Problems stigmatisiert fühlen. Für das Gespräch mit der Klasse sollten Sie vorher das Einverständnis der Eltern einholen und das Kind über Ihre Absicht informieren.
Bringen Sie dem Kind Lernstrategien bei und zeigen Sie ihm, wie man eine Aufgabe zielgerichtet und planend erarbeitet. Erklären Sie dem Kind, wie ein Heft richtig geführt wird. Arbeiten Sie mit den Eltern zusammen, z. B. wenn es um das Anfertigen der Hausaufgaben geht.
Belohnen Sie das Kind nach gut ausgeführten Aufgaben. Das erhöht die Motivation.
Hilfreich sind folgende Lernstrategien, die der Lehrer dem Schüler vermitteln kann:
visuelle Aufarbeitung des Stoffes, damit alles anschaulicher wird: z. B. wichtige Textabschnitte oder Schlüsselwörter bunt unterstreichen, Symbole und Piktogramme als Gedankenstütze einfügen.
detaillierte Zeiteinteilung, damit am Tag vor der Klassenarbeit nicht auf einmal alles zu viel wird.
Eselsbrücken bauen, wo immer es geht.
Texte laut lesen: so prägt sich der Inhalt besser ein.
während des Lernens sich den Stoff selbst laut erzählen, das erhöht die Konzentration.
den Schüler dazu anhalten, im Unterricht mitzuschreiben: das hält wach!
der Schüler sollte beim Lernen den Stoff mehrmals wiederholen, damit das Gelernte besser im Gedächtnis bleibt.
bei Ermüdung kurz aufstehen oder zwischendurch auch mal die Tätigkeit wechseln. Stundenlanges brüten über einem Stoff, den der Schüler nicht versteht, bringt wenig. Auf der anderen Seite aber auch nie eine Sache nach dem ersten Anschauen weglegen, weil der Schüler meint, er würde es sowieso nicht verstehen.
Was können Lehrer tun, wenn das Kind mit ADHS die Kontrolle verliert?
Wenn Sie spüren, dass die Erregung des ADHS-Kindes ansteigt, lassen Sie es nicht auf einen Machtkampf ankommen. Schüren Sie nicht das Feuer, sondern lenken Sie das Kind ab.
Sollte das Kind dennoch aufbrausen, fassen Sie es nicht an und versuchen Sie es auch nicht zu beschwichtigen, bleiben Sie völlig ruhig und geben Sie kurze und klare Anweisungen.
Rennt das Kind weg, laufen Sie nur in Gefahrensituationen (z. B. befahrene Straße) hinterher. Das Kind beruhigt sich mit der Zeit und kommt dann von selbst wieder zurück.
Zusammenarbeit mit Eltern und Ärzten:
Sprechen Sie regelmäßig mit den Eltern des Kindes und suchen Sie gemeinsam mit ihnen nach Lösungen für die Probleme sowohl im Lernleistungsbereich wie auch im Verhaltensbereich. Analysieren Sie gemeinsam die Schwächen und Stärken des Kindes und überlegen Sie, wo es seine Stärken einbringen kann. Informieren Sie die Eltern über bevorstehende Klassenarbeiten.
Kooperieren Sie mit den entsprechenden ADHS-Experten, Ärzten und Psychologen. Helfen Sie durch Ihre Beurteilung und pädagogische Unterstützung, frühzeitig Probleme anzugehen, damit auch das Kind mit ADHS seine Begabung nutzen kann. Je länger ein Schulkind mit Lernen negative Erlebnisse verbindet, umso schwerer wird es, die Lust am Lernen zu erhalten, Selbstbewusstsein aufzubauen und sich trotz des Aufmerksamkeitsdefizites positiv zu entwickeln. Auch Kinder mit ADHS haben das Recht auf eine angemessene Bildung entsprechend ihren Grundressourcen, die es dringend zu fördern gilt. Eine vorschnelle Umschulung in eine niedrigere Schulstufe sollte möglichst vermieden werden, denn das kann zur Resignation bis hin zum Nachlassen der Lernfähigkeit führen.