Depression und sexuelle Funktionsstörungen
Depressionen gehen sowohl bei Männern als auch bei Frauen häufig mit Störungen im Sexualleben einher. Zu den Symptomen einer Depression gehört bei den meisten Patienten Apathie und ein allgemeiner Interessenverlust, der sich auch auf die Sexualität erstrecken kann. Manchmal sind sogar sexuelle Störungen das erste körperliche Signal, das auf den Beginn einer depressiven Phase hindeutet.
Psyche, Geist und Körper müssen im Einklang stehen, wenn das sexuelle Leben genussvoll sein soll. Damit Sexualität befriedigend erlebt werden kann, muss ein hochkompliziertes Zusammenspiel von verschiedenen Faktoren reibungslos ablaufen:
Damit diese Prozesse ablaufen können, müssen die Nervenbahnen intakt und Hormone und Botenstoffe in ausreichendem Maße vorhanden sein. Psychisch müssen wir entspannt genug sein, Berührungen zu genießen und uns fallen zu lassen. Und auch unser Verhältnis zum Sexualpartner muss stimmen, damit wir Sexualität genießen können.
Da die “schönste Nebensache der Welt” von so vielen verschiedenen Faktoren beeinflusst wird, ist sie äußerst anfällig für Störungen auf allen Ebenen. In jeder Phase des Lebens können sexuelle Aktivität und das sexuelle Bedürfnis daher zeitweise beeinträchtigt sein.
Männer können immer und wollen immer, so der weit verbreitete Mythos. Die Wirklichkeit sieht anders aus. Jeder fünfte Mann leidet irgendwann in seinem Leben unter Erektionsstörungen.
Erektionsprobleme sind in den meisten Fällen mit körperlichen Erkrankungen verknüpft, bei denen die Gefäße verengt sind und die Durchblutung gestört ist. Da Erektionsschwierigkeiten oft schon im Frühstadium von Gefäßveränderungen auftreten, werden Potenzprobleme von immer mehr Medizinern als “Frühwarnsystem” für körperliche Erkrankungen betrachtet, die damit in Zusammenhang stehen.
Zu den körperlichen Ursachen von Erektionsschwierigkeiten gehören Bluthochdruck, Diabetes, Herz-Kreislauferkrankungen, Leber- und Nierenerkrankungen, Medikamenten-, Alkohol- und Nikotinmissbrauch, Hormonstörungen, neurologische Störungen sowie chronische Erkrankungen.
Daneben gibt es viele verschiedene psychische Ursachen für Erektionsprobleme. Die häufigsten sind Stress und Leistungsdruck im Beruf, latente Konflikte im Berufs- wie im Privatleben, zu hohe sexuelle Ansprüche an sich selbst, Unzufriedenheit beim Sex mit der Partnerin, Beziehungsprobleme, Ängste und Angststörungen, Depressionen, Psychosen oder Missbrauchserfahrungen.
Die Häufigkeit von sexuellen Störungen bei Frauen verteilt sich nach Angaben von pro familia folgendermaßen6:
Daraus ergibt sich, dass bei Frauen die “Lustlosigkeit” im Vordergrund steht.
Im Gegensatz zu den Männern sind sexuelle Probleme nur bei etwa zwei Prozent der Frauen auf rein körperliche Ursachen zurückzuführen5.
Wie bei den Männern können die psychischen Ursachen vielfältig sein. Eine große Rolle spielen Erziehung (keine Erfahrung mit Selbstbefriedigung, unzureichendes Wissen über den eigenen Körper), Partnerschaftsprobleme, Stress im Beruf oder in der Familie, Depressionen oder traumatische Erfahrungen in der Vergangenheit.
Auch situationsbedingte Einflüsse wie unzureichende Verhütung, Angst vor Schwangerschaft oder die Angst vor sexuell übertragbaren Krankheiten können das sexuelle Erleben bei Frauen stark beeinträchtigen.
Depressionen haben große Auswirkungen auf das emotionale Erleben und auf den Hormonstoffwechsel. Hormonstörungen sind bei Depressiven im Bereich der Keimdrüsenhormone stark ausgeprägt.
Die Wechselwirkungen zwischen Depressionen und sexuellen Störungen können vielfältig sein:
Depressionen und sexuelle Funktionsstörungen bei Männern
Erektionsstörungen sind häufig mit Depressionen verknüpft. Zum einen können die psychischen Probleme zur Impotenz führen, zum anderen werden aber auch viele Männer erst durch die Schwierigkeiten beim Sex depressiv, wie aus der Studie MALES von 2004 hervorgeht: Ein Viertel der befragten Männer gaben an, auch an Depressionen und Angststörungen zu leiden. Umgekehrt klagte ein Viertel der befragten Männer mit Depressionen darüber, Schwierigkeiten mit der Potenz zu haben.
Ebenso wie bei Frauen verringert sich auch bei Männern mit zunehmendem Alter allmählich die Ausschüttung der Sexualhormone. In der Zeit dieser hormonellen Veränderung, den “Wechseljahren des Mannes” sind Männer anfälliger gegenüber Depressionen als sonst.
Depressionen und sexuelle Funktionsstörungen bei Frauen
Frauen leiden häufiger unter Depressionen als Männer.
Frauen sind, hormonell bedingt, zu bestimmten Zeiten anfälliger für eine Depression als normalerweise:
Während depressiver Phasen treten bei Frauen häufig unregelmäßige oder schmerzhafte Menstruationsblutungen auf. Manchmal bleibt die Regel auch ganz aus. In bestimmten Fällen kann Unfruchtbarkeit aus Depressionen resultieren. Im Gegenzug kann unerfüllter Kinderwunsch bei Frauen zu Depressionen führen.
Auf der Ebene des sexuellen Erlebens führen Depressionen bei Frauen besonders oft zu Verlust der Libido und Anorgasmie, oder bewirken sogar völliges Desinteresse am sexuellen Leben.
Sexuelle Funktionsstörungen belasten die Psyche des Betroffenen und meist auch die Partnerschaft.
Vor allem Männer neigen dazu, nicht über ihr Problem zu sprechen. Dadurch kann eine Fortsetzung von Missverständnissen entstehen, die die Partnerschaft stark belasten.
Eine möglichst frühzeitige Diagnose und Therapie sowohl der Sexualstörung als auch der Depression sind daher von großer Bedeutung.
Da es um sehr persönliche Themen geht, erfordert die Diagnose Einfühlungsvermögen und “Fingerspitzengefühl” seitens des Arztes. Viele Patienten trauen sich nicht, beim Arzt über ihre Sexualität zu sprechen, sind aber dankbar, wenn der Arzt von sich aus mögliche Sexualprobleme thematisiert.
Über die Erhebung der Krankengeschichte (Anamnese) kann der Arzt viel über das sexuelle Problem sowie über psychische Faktoren der Sexualstörung herausfinden.
In der Praxis werden standardisierte Fragebögen angewendet, mit deren Hilfe eine genaue Diagnose gestellt werden kann.
Zur Erfassung von Art und Ausmaß depressiver Erkrankungen gibt es Fragebögen und spezielle Interviews.
Körperliche Untersuchung
Durch eine gründliche allgemeine körperliche Untersuchung sowie eine Untersuchung beim Urologen bzw. beim Gynäkologen können organische Ursachen für Sexualstörungen identifiziert oder ausgeschlossen werden.
Labormedizinische Untersuchungen
Blutwerte und Hormonstatus können ebenfalls Aufschluss zu körperlichen Ursachen von sexuellen Störungen geben.
Die Durchführung weiterer Untersuchungen ergibt sich aus den Befunden der Anamnese und der körperlichen Untersuchung.
Zur Therapie von sexuellen Störungen mit oder ohne begleitende Depressionen gibt es keine klassische Vorgehensweise. Das Behandlungskonzept richtet sich nach den individuellen Beschwerden und der Diagnose. In der Regel setzt es sich aus einzelnen Therapiebausteinen zusammen, die das Problem interdisziplinär auf unterschiedliche Weise angehen.
Umstellung des Lebensstils
Für viele Männer sind Potenzprobleme eine gute Motivation ihr Leben umzustellen. Manchmal reicht eine gesündere Lebensweise mit gesunder Ernährung ausreichend Schlaf und Bewegung sowie maßvollem Umgang mit Alkohol und Nikotin bereits aus, um Potenzprobleme und depressive Verstimmungen zu beheben.
Diese einfachen Maßnahmen wirken sich positiv auf den gesamten Gesundheitszustand bei Männern und bei Frauen aus. Auch bei Frauen kann sich bereits durch eine gesündere Lebensweise der Spaß am Sex wieder einstellen.
Bewegung und Sport
Bewegung wirkt sich positiv auf viele Körperfunktionen aus, die wichtig für eine genussvolle Sexualität sind. Herz- und Kreislauffunktionen werden verbessert, der Blutdruck normalisiert sich, Stresshormone werden abgebaut. Bewegung an frischer Luft und in der Sonne wirkt stimmungsaufhellend bei Depressionen.
Antidepressiva
Antidepressiva helfen Patienten, die allgemeine Lebensfreude wieder zu finden.
Potenzmittel
Manchen Männern hilft ein Potenzmittel, wieder eine angstfreie Sexualität zu erleben. Als Nebeneffekt bessern sich daraufhin häufig auch die Stimmung.
Psychotherapie/Verhaltenstherapie
In einer Psychotherapie können die Patienten (Mann oder Frau) etwas über die psychischen und emotionalen Ursachen ihrer Sexualstörung und ihrer Depressionen herausfinden und erlernen Strategien, besser mit dem Problem für sich und in der Partnerschaft umgehen zu können.
Paartherapie
Sexuelle Störungen des einen betreffen immer auch den anderen bzw. die gesamte Paarbeziehung. Deshalb sollte der Partner immer in die Therapie mit einbezogen werden. In der Paartherapie erlernen die Partner, ihre Probleme miteinander zu besprechen und ihre Konflikte zu lösen sowie eine ehrliche, respektvolle Kommunikation zu entwickeln.
Entspannungstechniken
Entspannungstechniken wie Yoga, Autogenes Training oder die progressive Muskelentspannung nach Jakobsen unterstützen den Patienten, innerlich ruhiger und gelassener zu werden und damit besser mit Stress und den Depressionen umgehen zu können.
1 Rhode, Anke: Sexualstörungen bei Frauen, Das Online-Familienhandbuch, Informationszentrum für Sexualität und Gesundheit e.V., www.familienhandbuch.de , 15.03.2004
2 Depression und Sexualität, Österreichische Gesellschaft für Neuropsychopharmakologie und Biologische Psychiatrie, www.medical-tribune.at
3 Müller, Diethard: Komorbidität depressiver Störungen, Service Institut für Ärzte und Apotheker, www.ifap.de
4 Baur. H, Metka, M.: Häufigkeiten von Wechseljahresbeschwerden, www.gesundheitsgespraech.de , 27.11.2000
5 Bürger, Britta: Sexuelle Störungen der Frau, www.netdoktor.at , Juli 2000
6 Potenzpille bessert auch Depressionen, www.lifeline.de, Quelle: Rosen, R: The Multinational Men’s Attitudes of Life Events and Sexuality (MALES) study, 2004