Als Vorspeise eine Suppe, als Hauptgang Braten mit Gemüse und Kartoffeln. Zum Nachtisch ein Eis mit heißen Himbeeren und zum Abschluss ein Espresso. Ein klassisches Mittagessen in Deutschland.Alle Bestandteile dieser Mahlzeit gelangen in kurzer Zeit in buntem Durcheinander von süß, sauer oder salzig, fest und flüssig in den Verdauungstrakt. Die Ausschüttung der unterschiedlichen Verdauungssekrete und die Darmbewegungen müssen genau dosiert werden, damit alle Nahrungsbestandteile optimal verwertet werden, und weder Durchfall noch Verstopfung als Folge auftreten. Die komplexen Verdauungsprozesse steuert das enterische Nervensystem, das die Darmwände durchzieht. Das Nervensystem im Darm arbeitet weitgehend unabhängig vom Gehirn, also autonom. Die Verdauungsvorgänge werden uns nur bewusst, wenn etwas nicht stimmt, bei Schmerzen, Durchfall oder Verstopfung.
Die Nervenzellen im Darm steuern die Darmmuskulatur und sorgen für den Transport der Nahrung. Sie reagieren auf den Füllzustand und fühlen, in welchen Darmpassagen sich Nahrung befindet und veranlassen die Darmmuskulatur, den Nahrungsbrei in Richtung “Ausgang” durch den Darm zu befördern. Die Nervenzellen sorgen auch dafür, dass der Darm sich selber reinigt. Nach dem Essen beginnt im oberen Dünndarm eine wellenförmige Bewegung, die noch vorhandene Essensreste oder Krankheitserreger in den Dickdarm weiterbefördert. So verhindert der Dünndarm, dass sich Bakterien einnisten, die eventuell Krankheiten verursachen könnten.
Das enterische Nervensystem wirkt bei der Immunabwehr mit. Sind Krankheitserreger in den Darm eingedrungen, geben zunächst die Abwehrzellen in der Darmwand ein Signal. Die Nervenzelle befindet sich in unmittelbarer Nähe und registriert die Meldung ebenfalls. Zuerst wird mehr Flüssigkeit in den Darm gelassen, der Erreger wird verdünnt und weggeschwemmt. Zusätzlich steigert sich die Muskeltätigkeit. So entsteht Durchfall, der die Krankheitskeime so schnell wie möglich wieder hinaus befördert.
Das Nervengeflecht im Darm ist eng verknüpft mit psychischen Prozessen. Die Zusammenhänge werden in Sprichwörtern und Redewendungen deutlich. Etwas “nicht verdaut haben”, “Schiss” vor einer Prüfung haben, “Schmetterlinge im Bauch” bei Verliebt sein, Verstopfung wenn “nichts mehr geht”, kennen wir alle.
Wissenschaftler vermuten, dass Fehlfunktionen des enterischen Nervensystems bei der Entstehung von Morbus Crohn und Colitis ulcerosa eine Rolle spielen könnten. Sicher ist, dass bei Patienten mit Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa Teile des enterischen Nervensystems verändert sind. In den entzündeten Abschnitten und manchmal sogar in nicht entzündeten Darmabschnitten treten bestimmte Nervenzellen vermehrt auf. Diese Nervenzellen schütten Substanzen aus, die wie bei einer Entzündung auf die Darmmuskulatur einwirken und die Flüssigkeitssekretion erhöhen. Dies führt zu Durchfällen.