Früher mussten sich Patienten mit Diabetes mellitus streng nach ihrer Therapie richten; das bedeutete oft einen starren Tagesablauf mit festgesetzten Essenszeiten. Heute können Diabetiker ihren Alltag flexibler gestalten, ihre Insulindosis ihren Lebensgewohnheiten anpassen und Mahlzeiten einfach weglassen, wenn sie keinen Hunger haben. Mit Hilfe neuer Insulinpräparate, die besonders schnell oder besonders lang wirken, können die Betroffenen ihren Blutzucker besser einstellen und damit die Spätfolgen des Diabetes mellitus vermeiden.
Insulin ist ein körpereigener Botenstoff, der bei jedem Menschen die gleiche Struktur aufweist. Das Eiweiß wird von den so genannten Beta-Zellen in der Bauchspeicheldrüse gebildet. Es wird nach dem Essen ausgeschüttet, um Traubenzucker in das Muskel- und Fettgewebe sowie in die Leber zu schleusen. Zucker dient den Zellen als Energielieferant und ist für sie lebenswichtig. Er wird vor allem in Form von Kohlenhydraten in der Nahrung aufgenommen. Patienten mit Diabetes mellitus können den Traubenzucker nicht mehr verwerten und scheiden ihn mit dem Harn aus.
Typ-1-Diabetiker erkranken oft im Kindesalter. Dabei zerstören die Immunzellen die Insulin produzierenden Beta-Zellen der Bauchspeicheldrüse. Die Krankheit bricht aus, wenn mindestens 80 Prozent des Gewebes nicht mehr funktionstüchtig ist. Die Folge ist ein absoluter Insulinmangel, der nur über eine lebensbegleitende Insulintherapie ausgeglichen werden kann.
Beim Typ-2-Diabetes liegen zwei Mechanismen zu Grunde: Eine geringere Insulinempfindlichkeit (Insulinresistenz) und eine gestörte Insulinausschüttung. Aufgrund der Insulinresistenz reagieren die Muskel-, Fett- und Leberzellen weniger empfindlich auf Insulin. Sie nehmen weniger Traubenzucker auf, so dass die Blutzuckerwerte ansteigen. Die Leberzellen setzen zudem vermehrt Glukose frei. Darum ist der Blutzuckerspiegel der Patienten häufig auch in nüchternem Zustand erhöht.
Der Körper versucht über verschiedene Stoffwechselwege, dieses Defizit durch eine Überproduktion von Insulin auszugleichen. Reicht die Mehrproduktion an Insulin allerdings nicht mehr aus (Insulinsekretionsstörung), steigen die Blutzucker-Werte an. Erst im Verlauf der Erkrankung versiegt schließlich die Insulinproduktion.
Das Ziel jeder Insulintherapie ist es, nicht nur die natürliche Insulinproduktion nachzuahmen. Sie soll auch die Lebensqualität der Patienten verbessern und die Entstehung diabetesbedingter Folgeerkrankungen verzögern. Eine Voraussetzung für eine erfolgreiche Therapie ist die richtige Einstellung der Blutzuckerwerte. Der so genannte HbA1c-Wert zeigt an, wie gut die Stoffwechseleinstellung innerhalb der letzten acht bis zehn Wochen war. Er stellt also eine Art Langzeitgedächtnis des Körpers für den Blutzuckerspiegel dar. Dieser Wert sollte nach den nationalen Versorgungs-Leitlinien für Diabetes mellitus Typ 2 unter 6,5 Prozent liegen. Die deutsche Diabetes Fachgesellschaft empfiehlt Diabetikern einen HbA1c von unter 6,5 Prozent. Ab einem Wert von über 7 Prozent sollte eine Therapieänderung vorgenommen werden.
Kombinationen mit Insulin
Können Tabletten allein den Blutzuckerspiegel nicht mehr ausreichend senken, ist eine Kombination mit Insulin sinnvoll.
Zu den blutzuckersenkenden Tabletten wird bei der basalunterstützten oralen Therapie (BOT) zusätzlich ein langwirksames Insulin gespritzt. Dieses Behandlungsmuster wird bevorzugt eingesetzt, wenn für eine bessere Einstellung und ein gesteigertes körperliches Wohlbefinden neben den Tabletten zusätzlich Insulin erforderlich wird. Ein langwirksames Insulin sorgt für einen gleichmäßigen Insulinspiegel und wirkt idealer Weise über 24 Stunden.
Zwei Formen der reinen Insulinbehandlung
Früher sollte sich der an Diabetes erkrankte Mensch der Therapie beugen, heute soll sich dagegen die Behandlung dem Lebensstil des einzelnen Patienten anpassen. Man unterscheidet daher zwei grundsätzliche Formen der reinen Insulintherapie: die konventionelle (CT) und die intensivierte Insulintherapie (ICT).
Dabei spritzen sich die Patienten zumeist zweimal täglich eine Mischung aus kurz- und langwirksamem Insulin (Normal- und Verzögerungsinsulin), das so genannte Mischinsulin. Die Nahrungsmenge und der Bewegungsumfang hängen von einem festen Mahlzeitenschema und konstanten Injektionszeiten ab. Für den Patienten ist die CT zwar einfach anzuwenden, aber sie führt zu einer strengen Reglementierung des Tagesablaufs.
Bei der intensivierten konventionellen Therapie (ICT) wird ein- bis dreimal täglich ein Verzögerungsinsulin und zu den Mahlzeiten ein schnell wirksames Insulin gespritzt. Dosis und Zeitpunkt kann der Diabetiker selbst anpassen – je nach Mahlzeit und/oder körperlicher Tätigkeit. Zwar ist durch mehrmals tägliche Injektionen und Blutzuckerkontrollen die ICT mit einem höheren Zeitaufwand verbunden als die CT oder BOT; entscheidend aber ist, dass mit dieser Therapie die körpereigene Insulinfreisetzung der von Stoffwechselgesunden am besten nachgeahmt wird. Die Stoffwechsellage kann somit optimal eingestellt und die Gefahr von Folgeschäden so weit wie möglich reduziert werden.
Die Spätfolgen des Diabetes mellitus entwickeln sich schleichend, üher Monate oder Jahre hinweg. Je schlechter der Blutzucker eingestellt ist, desto größer ist das Risiko, an Diabeteskomplikationen des Herz-Kreislauf-Systems, der Augen, Nieren oder Nerven zu erkranken. Zum einen neigen Diabetiker zu arteriellen Durchblutungsstörungen, zum anderen werden jedoch auch die Nervenfasern und die Organe selbst durch den erhöhten Blutzucker geschädigt. Das Ausmaß der Folgeerkrankungen für Typ-2-Diabetiker zeigte die CODE-2®-Studie: Alle 90 Minuten erblindet ein Mensch mit Diabetes mellitus in Deutschland, alle 60 Minuten wird ein Diabetiker dialysepflichtig, alle 12 Minuten erleidet ein Patient einen Schlaganfall und alle 19 Minuten erfolgt eine Amputation. Zu einem Herzinfarkt kommt es alle 19 Minuten, und da auch das Nervensystem bei Diabetikern geschädigt ist, fehlt oft der Schmerz als typisches Warnsymptom. Vor diesem Hintergrund gilt es Ärzte und Patienten noch verstärkter über den HbA1c-Wert aufzuklären und für seine Bedeutung in der Diabetestherapie zu sensibilisieren.