Gegenwärtig gibt es leider noch keine Möglichkeit, die Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Störung (ADHS) zu „heilen”. Mit geeigneten Therapieansätzen ist es Patienten mit ADHS jedoch möglich, ein weitgehend „normales” Leben zu führen.
Zur Bewältigung der Alltagsschwierigkeiten, die Menschen mit ADHS haben, bedarf es meist einer Kombination aus medikamentöser, psychologischer und pädagogischer Behandlung durch Experten unterschiedlicher Fachrichtungen. Hausärzte und Kinderärzte, Kinder- und Jugendpsychiater, Psychotherapeuten, bzw. Nervenärzte sowie Pädagogen, z. B. Lehrer, und nicht zuletzt Eltern sollten eng zusammenarbeiten, um einen dauerhaften Therapieerfolg zu gewährleisten.
Für Kinder, Jugendliche und Erwachsene mit ADHS eignen sich die unterschiedlichsten psychologischen Behandlungsformen. Die Wahl der Therapie richtet sich nach dem Alter und der Ausprägung der Erkrankung. Um eine passende Behandlungsform zu finden, bedarf es einer gründlichen Diagnosestellung und einer umfangreichen Erfassung der Vorgeschichte (Anamnese) des Patienten durch den behandelnden Arzt. Für den Erfolg einer Behandlung von Jugendlichen und Erwachsenen ist entscheidend, dass der Patient gut über seine Erkrankung informiert, aufgeklärt und für die Behandlung offen und bereit ist, da andernfalls die Akzeptanz einer psychologischen Therapie gering sein wird.
Auch Kinder sollten altersgerecht über ihre Erkrankung aufgeklärt werden. Das allein sichert aber noch nicht den Therapieerfolg. Vor allem bei Kindern, aber auch bei Jugendlichen und Erwachsenen, hängt der Erfolg einer Therapie eng mit dem Empfinden persönlicher Sympathie oder Ablehnung gegenüber dem Therapeuten zusammen. Findet der Therapeut keinen Zugang zu seinem Patienten oder zeigt sich der ADHS-Patient nicht kooperationsbereit, wird die Therapie wenig oder keinen Erfolg haben.
ADHS ist ursächlich nicht auf ungelöste innerliche Konflikte zurückzuführen, eine psychologische Behandlung ist dennoch angezeigt. Die Erkrankung beeinflusst das Verhalten eines Menschen, das auf andere meist sehr negativ wirkt und die Patienten häufig an den Rand der Gesellschaft drängt. Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen mit ADHS sind durch die speziellen Erfahrungen mit ihren Mitmenschen meist stark beschädigt. Je später mit einer psychologischen Behandlung begonnen wird, desto mehr Demütigungen und Kränkungen musste der Patient im Laufe seines Lebens erfahren und umso schwieriger wird die Aufarbeitung in einer Therapie.
Spieltherapie
In der Spieltherapie können die Kinder ihre Gefühle und Konflikte verarbeiten. Im Spiel haben sie die Möglichkeit, verdrängte Erfahrungen, die sie mit ihren Mitmenschen gemacht haben, auszudrücken und sie auf spielerischer Ebene erneut zu durchleben. Bei der direktiven Spieltherapie geschieht das unter Aufsicht des Therapeuten, der die Verantwortung zur Führung und Interpretation übernimmt. Die non-direktive Spieltherapie, bei der Verantwortung und Führung dem Kind überlassen werden, eignet sich nicht für ADHS-Kinder.
Psychomotorik
Diese Therapieform fördert die Entwicklung der Grob- und Feinmotorik und beeinflusst das Verhalten der Kinder. Zudem wird ihre Wahrnehmung (Selbst- und Fremdwahrnehmung) geschult. Die Therapie orientiert sich an den aktuellen Schwierigkeiten der Kinder. Spielerisch lernen sie ihr Verhalten und ihre Bewegungen zu steuern und den richtigen Umgang mit anderen Kindern in der Gruppe zu finden. Die Therapieform kann neben der Gruppen- auch in der Einzelbehandlung durchgeführt werden.
Elterntraining
Das Elterntraining ist vor allem für Eltern gedacht, deren Kinder im Vorschul- und Schulalter sind. Im Elterntraining werden Kenntnisse über das Störungsbild vermittelt und die Eltern werden über die Ursachen, Auswirkungen und Symptome der Störung aufgeklärt. Dabei lernen sie angemessen mit den Defiziten ihres Kindes umzugehen und vor allem Grenzen in der Erziehung zu setzten. Das Elterntraining trägt dazu bei, Konflikte in der Familie zu entschärfen und für die Zukunft zu vermeiden.
Familientherapie oder Eltern-Kind-Therapie
Die beiden Therapieformen entwickelten sich aus der Erfahrung heraus, dass in der Einzelbehandlung zwar Erfolge zu erzielen, diese aber oftmals nur von begrenzter Dauer sind. Es gibt verschiedene Formen der Familientherapie, die auf unterschiedlichen therapeutischen Ansätzen beruhen, wie z. B. auf der Psychoanalyse und der Verhaltenstherapie. Die Familientherapie geht davon aus, dass bei den Familienmitgliedern Selbstheilungskräfte vorhanden sind, die durch den Therapeuten mobilisiert werden können. Die Inanspruchnahme solcher Therapieformen ist vor allem dann sinnvoll, wenn die Familienbeziehungen bereits massiv gestört und Konflikte ohne Hilfe von außen nicht mehr zu lösen sind. Die Familientherapie muss nicht ausschließlich auf die Familie begrenzt bleiben, sondern kann auch Lehrer und andere, für die Entwicklung des Kindes wichtige Personen mit einbeziehen.
Verhaltenstherapie
Die Verhaltenstherapie gilt ab dem Schulalter als die erfolgversprechendste Psychotherapieform. Es wird davon ausgegangen, dass jedes Verhalten nach bestimmten Prinzipien erlernt, aufrechterhalten und auch wieder verlernt werden kann. Diese Therapie zielt darauf ab, neue Einstellungen und Verhaltensweisen zu erarbeiten, die eine bessere Lebensqualität für alle Betroffenen ermöglichen. Sie kann in Form von Einzelgesprächen oder in der Gruppe unter Einbeziehung wichtiger Bezugspersonen erfolgen. Am Ende der Therapie sollten die Patienten angemessener auf zukünftige Anforderungen reagieren können.
Soziales Kompetenztraining
Das soziale Kompetenztraining ist bei Defiziten im Sozialverhalten angezeigt und hat zum Ziel, das Einfühlungsvermögen (Empathie-Fähigkeit) des Patienten mit ADHS zu fördern und damit sein Verhalten zu prägen. Aufmerksamkeitsstörung und Impulsivität können ebenso positiv beeinflusst werden. Lehrer haben die Möglichkeit das Training auch in der Schule durchzuführen, um aggressive und schwierige Kinder besser in den Klassenverband einzugliedern.
Beschäftigungstherapie und Ergotherapie
Bei der Beschäftigungstherapie sollen die Patienten durch kreatives Arbeiten schöpferische und gestalterische Kräfte entwickeln, um die Anforderungen im Alltag besser bewältigen zu können. Zur Anwendung kommen u. a. Elemente von Musiktherapie, kreativem Arbeiten, kognitivem Training, Entspannungstherapien und sozialem Training.
Die Ergotherapie setzt sich aus den zwei Bereichen Beschäftigungs- und Arbeitstherapie zusammen und kann in Einzel- oder Gruppenbehandlung durchgeführt werden. Die aktive Auseinandersetzung mit den angebotenen Techniken, Materialien und Medien und die gefundenen Umsetzungsmöglichkeiten stärken das Selbstvertrauen und helfen den Alltag zu bewältigen. Konzentration, Gedächtnis und Ausdauer werden dabei ebenfalls geschult. In der Gruppe können die Patienten ihre Kommunikationsfähigkeit und das Arbeiten im Team trainieren.
Neurofeedback bzw. EEG-Biofeedback
Beim Neurofeedback werden die Gehirnströme gemessen und über spezielle Geräte rückgemeldet. Durch dieses Feedback werden körperinnere Funktionen der Wahrnehmung zugänglich gemacht und dann versucht diese unter willentliche Kontrolle zu bringen. Daraus ergibt sich eine verbesserte Selbstregulationsfähigkeit. Bei dieser Methode lassen sich die Symptome der Aufmerksamkeit und Konzentration, der Impulsivität und milde Formen der Hyperaktivität verbessern. Verhalten und Lernen, schulische Erfolge und Selbstbewusstsein können ebenfalls positiv beeinflusst werden.
Eine psychologische Behandlung sollte generell zum Ziel haben, Fähigkeiten bei dem ADHS-Patienten zu entwickeln, die es ihm ermöglichen, besser mit der Erkrankung und deren Symptomen zurecht zu kommen. Oft ist die zusätzliche Behandlung mit einem Medikament, z. B. einem Psychostimulanz angezeigt. Langfristig wird sich eine individuell abgestimmte Kombination aus medikamentöser, psychologischer und bei Kindern und Jugendlichen auch pädagogischer Behandlung für die meisten ADHS-Patienten am vorteilhaftesten auswirken.