Entwickeln Menschen Essstörungen wie Anorexia nervosa oder Bulimia nervosa, kann das in vielen Fällen auf eine Körperbildstörung zurückgeführt werden. Wie dieses gestörte Körperbild aufgebaut und erhalten wird, wurde an der Universität Osnabrück unter Leitung von Professorin Dr. SiljaVocks und Dr. Anika Bauer in einem Forschungsprojekt untersucht.
Gravierende körperliche und psychische Folgeschäden sind typisch bei Anorexia und Bulimie, wobei für die Anorexia nervosa die höchste Sterblichkeitsrate durch psychische Folgen dokumentiert werden. Häufig beginnt die Erkrankung bereits im jüngeren Lebensalter, so die Psychologin Vocks: „Die Aufdeckung potentieller Risikofaktoren für die Entstehung und Aufrechterhaltung von Essstörungen haben eine hohe Relevanz, um dieser Entwicklung vorzubeugen. Oft ist dies mit langwierigen psychotherapeutischen Behandlungen verbunden“.
Die Körperbildstörungen sind von einer ausgeprägten Unzufriedenheit mit der äußeren Erscheinung, mit starkem Streben nach Schlankheit sowie einer verzerrten Wahrnehmung des eigenen Körpers als zu dick oder unförmig charakterisiert. Die Forscherinnen haben die visuelle Verarbeitung des eigenen Körpers bei weiblichen Jugendlichen mit Anorexie oder Bulimie analysiert und mit gesunden Kontrollprobandinnen verglichen.
Allen wurden Fotografien des eigenen Körpers am Computerbildschirm präsentiert und die Blickbewegungen aufgezeichnet. Daraus lies sich erkennen, wie die Mädchen ihren eigenen Körper betrachteten und welchen Körperteilen sie besondere Aufmerksamkeit widmeten. Dabei stellte sich heraus, dass die essgestörten Mädchen länger auf individuell negativ bewerte Körperregionen blickten als die gesunden Probandinnen. Das belegt eine besonders defizitorientierte Betrachtungsweise des eigenen Körpers und die ausgeprägte Unzufriedenheit mit ihrem Aussehen bei den Mädchen mit Essstörungen.
Auffallend war für die Entwicklung der negativen Betrachtungsweise auch das Verhalten der Mütter: „Je weniger wohlwollend die Mütter ihre eigenen Kinder betrachteten, umso so weniger wohlwollend taten dies auch ihre Töchter“. Insofern ist ein Zusammenhang zwischen dem Aufmerksamkeitsmuster der Mütter auf die Töchter und der Töchter auf ihren eigenen Körper herstellbar.
Für die Behandlung ergibt sich daraus, dass eine positive Aufmerksamkeit auf eigene Körperregionen mit positiven Aspekten und Attributen trainiert werden muss. „Um zu verhindern, dass das Körperbild überhaupt eine solche zentrale Rolle einnimmt, wie es bei Patientinnen mit Essstörungen vorliegt, kann bereits frühzeitig im familiären Umfeld entgegengewirkt werden. Vocks plädiert dafür, weniger das Aussehen, sondern vielmehr positive Charaktereigenschaften in den Fokus zu rücken. Eltern sollten sich bewusst machen welche Signale sie im Hinblick auf Schlankheit und Attraktivität an ihre Kinder senden, wenn häufiges Diäthalten und Kritik am eigenen Äußeren mit der damit verbunden Unzufriedenheit eine zu hohe Bedeutung in der familiären Interaktion einnehmen.