Kaum etwas kann die Entwicklung bremsen und die Deutschen werden immer dicker. Neben den bedrohlichen gesundheitlichen Konsequenzen für den Einzelnen besteht eine enorme gesellschaftliche Herausforderung aus dieser Tendenz. Nahezu allen medizinischen Disziplinen steht eine Aufgabe ungeahnten Ausmaßes bevor, die eine enge interdisziplinäre Zusammenarbeit aller Akteure im Gesundheitswesen erforderlich macht.
Heutzutage sind mehr als 60 Prozent der Deutschen übergewichtig und bei 16 Millionen Menschen hat das schwere Übergewicht als Adipositas bereits relevanten Krankheitswert. Selbst die Kleinsten sind bereits davon betroffen, sodass zwischen sechs und acht Prozent aller Kinder eine Adipositas aufweisen.
Menschen mit Adipositas gehen ein hohes Risiko ein, weil das viszerale Fett (Bauchfett) gefährliche Botenstoffe produziert, die eine Vielzahl an Folgeerkrankungen hervorrufen. Dazu gehören in vorderster Linie Diabetes mellitus und Bluthochdruck, Schädigungen der Gefäße und des Skeletts, Nierenfunktions- und Sehverlust, Leberverfettung und gravierende Atemstörungen (Schlafapnoe, Kurzatmigkeit).
Für Männer entsteht ein Teufelskreis aus Testosteronmangel und viszeralem Fettgewebe, und dies hat schwerwiegende Folgen auf die Sexualfunktion. Je dicker der Bauch eines Mannes heranwächst, umso mehr sinkt das männliche Hormon Testosteron ab. Da sich diese beiden Parameter unmittelbar beeinflussen, sinkt das Testosteron mit ansteigendem Körpergewicht immer tiefer, und je tiefer das Hormon abgesunken ist, desto dicker wird der Männerbauch.
Dies führt unmittelbar in die Impotenz, aber auch zu einer enormen Bewegungsverweigerung, die mit dem hohen Körpergewicht und der nachlassenden Energie begründet wird. Dass eine solche Entwicklung in die soziale Isolation führt, steht außer Frage, und psychische Folgen wie Essstörung oder Depression machen sich breit. Immer häufiger müssen mit dem Übergewicht auch die seelischen Folgen mitbehandelt werden.
Die professionelle Basis jeder Therapie in diesem Kollektiv ist eine kalorienreduzierte Diät, eine intensivierte Bewegungstherapie, die auf das Machbare des Einzelnen abgestimmt ist, und eine grundlegende Verhaltensmodifikation, für die die Betroffenen oft lange motiviert werden müssen. Unterstützend zum individuellen Therapieerfolg kann der Kontakt zu einer Gruppe aufgenommen werden, die mit identischen Problemen kämpfen, Online-Programme werden gerne genutzt um sich selbst zu motivieren und zu stärken, die schwere Zeit des Hungerns und Abnehmens durchzustehen. Für einige Übergewichtige hat die persönliche Beratung eines Ernährungstherapeuten die beste Wirkung, andere bevorzugen ambulante Programme in Adipositas-Zentren oder in einer stationären Rehabilitation.
Es stehen nur wenige Arzneimittel zur Verfügung, die in dieser Zeit das Abnehmen unterstützen und die Gewichtsreduktion für den Einzelnen erleichtern. Die Schlafstörungen der Adipösen sind ein ernstzunehmendes Problem, weil das gefährliche Schlaf-Apnoe-Syndrom überdurchschnittlich häufig bei diesen Symptomen auftritt. Immerhin leiden mehr als 800.000 Menschen an dieser Beschwerdesymptomatik: starkes Schnarchen wechselt mit Atempausen und nachfolgendem Nach-Atem-Ringen zu erneutem starken Schnarchen. Dies ist nicht nur für den Partner schwer zu ertragen, sondern führt den Adipösen immer wieder in hypoxische Not, weil der Sauerstoff im Blut bedrohlich absinkt (Hypoxie).
Dies hat gravierende folgen für das kardiovaskuläre System und kann zum Herzinfarkt und Schlaganfall führen. Dazu addieren sich das ohnehin vorliegende metabolische Syndrom, ein geschwächtes Immunsystem und ein nicht zu vernachlässigendes Risiko für Depression und Angststörung. Es ist belegt, dass Menschen mit Schlaf-Apnoe-Syndrom eine signifikant erhöhte Sterblichkeit aufweisen.
Es ist klar erkennbar, dass eine interdisziplinäre Zusammenarbeit verschiedener medizinischer Fachrichtungen unverzichtbar ist, um eine Adipositas nachhaltig zu behandeln und die Begleit- und Folgeerkrankungen zu verringern oder sogar zu vermeiden.
Noch immer ist die Wahrnehmung der Adipositas-Erkrankung in der Gesellschaft nicht hinreichend etabliert. Es fehlen noch immer politisch und gesetzlich eindeutige Entscheidungen, die zur Unterstützung der Adipösen bei der Änderung des Lebensstils hilfreich wären.