Rechtzeitig zur Aufnahme der GroKo-Sondierungen geistert eine
„rote Linie“ nach der anderen werbewirksam für die SPD und
Martin Schulz durch die politische Landschaft. Als
Muskelspielchen und Ablenkungsmanöver zugleich sollen
vorgebliche soziale Wohltaten wie Bürgerversicherung,
Familiennachzug, Abschiebestopp und Rückkehrrecht von
Teilzeit auf Vollzeitarbeit das vor kurzem noch enttäuschte
Wahlvolk beeindrucken und die Latte für eine Einigung mit der
CDU/CSU diesmal besonders hoch hängen. Ist es Chuzpe oder
eine besondere Form von Gedächtnisschwund? Die SPD scheint
vollends ausgeblendet zu haben, dass sie am 24. September
dieses Jahres auf 20,5 Prozent abstürzte und sich selbst
zunächst für regierungsunfähig erklärte.
Nach dem Scheitern der Jamaika-Verhandlungen und zurück in
der politischen Verantwortung für eine stabile Regierung in
Deutschland ist der SPD aber nun offenkundig jedes Augenmaß
abhandengekommen.
Zur Beruhigung der verunsicherten Partei wird der Eindruck
erweckt, aus dem 20-Prozent-Turm heraus zu 100 Prozent das
Regierungsprogramm bestimmen zu können. Als ob die
bisherige GroKo ausgerechnet etwa wegen der fehlenden
Einheitsversicherung zusammen 14 Prozent ihrer Stimmen
eingebüßt hätte. Wahlanalysen belegen, dass ganz andere
Themen wie Flüchtlingspolitik und Sicherheit die Wähler
beeinflusst haben.
Nun sollen es also Rezepte aus der sozialdemokratischen
Mottenkiste, und hierbei vor allem die Bürgerversicherung, für
die SPD richten. Abgesehen davon, dass bis heute kein
schlüssiges Konzept dafür vorliegt, muss man gespannt sein,
wie die SPD den Menschen den dadurch drohenden Verlust von
bis zu 250.000 Arbeitsplätzen und die Kosten von etwa 80
Milliarden Euro erklären will. Zumal absehbar ist, dass ein
solches Modell vor dem Verfassungsgericht kaum Bestand
haben dürfte. Und auch ein Rückkehrrecht von Teilzeit in Vollzeit
greift, wie die Folgen einer Einheitsversicherung, in
unternehmerisches Handeln ein und behindert die
Eigenverantwortung für die Arbeitsplätze.
Von Frank Rudolph, Geschäftsführer Bundesverband
Verrechnungsstellen Gesundheit e.V.