Die Steuerung des menschlichen Immunsystems geht im wesentlichen vom individuellen Mikrobiom des Darmes aus, das in der wissenschaftlichen Forschung einen immer höheren Stellenwert erlangt. Dieses Mikrobiom besteht aus 1.000 bis 1.400 unterschiedlichen Bakterienarten, die weit mehr leisten, als aufgenommene Nahrung in verwertbare Nährstoffe aufzuspalten.
Eine Schlüsselstellung nimmt das Mikrobiom bei der Entstehung von Übergewicht, Diabetes oder Fettstoffwechselstörung, es determiniert das Auftreten von Autoimmunerkrankungen und ist beteiligt an der individuellen Verträglichkeit oder Unverträglichkeit von Fremdstoffen, etwa Medikamenten. Dazu müssen sich aber Zahl und Arten der bakteriellen Besiedlung in einem individuellen Gleichgewicht befinden. Gerät es aus der Balance, drohen chronische Darmentzündungen und Störungen der Immunabwehr sowie vieler innerer Organe.
Die zugrunde liegenden Mechanismen sind noch bei weitem nicht alle aufgedeckt. Bekannt ist eine negative Einwirkung auf die Barrierefunktion des Darmes, deren Durchlässigkeit für Substanzen in die Blutbahnen erhöht ist. So können unkontrolliert Moleküle an spezifische Zellen gelangen und Funktionsstörungen oder Entzündungsreaktionen eines Organs verursachen. Werden die im Darm lebenden Mikroorganismen durch die Einnahme von Medikamenten wie Antibiotika zerstört oder in ihrem Gleichgewicht verändert, können schwere Durchfälle, aber auch eine hartnäckige Verstopfung auftreten. Die Darmschleimhaut reagiert nicht selten mit einer Entzündung, durch die auch bei Clostritien Pseudomembranen gebildet werden. Die freigesetzten Entzündungsmediatoren und Stoffwechselprodukte eines beschädigten Mikrobioms bieten daraufhin für krankmachende Keime meist ideale Wachstumsbedingungen.
Wie das Mikrobiom wieder in seinen individuelle Zusammensetzung zu bringen ist, um aktiv die Gesundheit des Menschen zu stärken, beschäftigt viele Wissenschaftler. Ein Ernährungsumstellung könnte der Bekämpfung von Krankheiten dienen, wenn damit das Mikrobiom wieder ausbalanciert werden kann.
Es werden nicht mehr alleine chronische Darmerkrankungen, Diabetes und Fettleibigkeit mit einer Störung des Mikrobioms in Zusammenhang gebracht, sondern auch neurologische Erkrankungen werden diskutiert, wie etwa eine Depression oder sogar eine Multiple Sklerose.
Es konnte noch nicht exakt ermittelt werden, ob die Veränderung des Mikrobioms durch eine Erkrankung hervorgerufen wurde, oder ob das veränderte Mikrobiom die Ursache der Erkrankung ist.
Kompliziert wird die Erforschung durch die individuelle genetische Ausstattung des Menschen. Einige Bakterien wirken für bestimmte Menschen krankmachend, die von anderen Menschen durchaus gut toleriert werden. Diese Tatsache stellt die Wissenschaft vor die Aufgabe zu untersuchen, ob Stoffwechselprodukte vom jeweiligen Mikrobiom freigesetzt werden.
Vor der Geburt ist der Magen-Darm-Trakt des Säuglings noch frei von bakterieller Besiedlung, erst mit der Geburt siedeln sich erste Bakterien von der Mutter an, die durch das Stillen eine erste Prägung erfahren. Erst im frühen Erwachsenenalter hat sich eine für jeden Menschen individuell zusammengesetzte Darmflora angesiedelt, die von der Ernährung und den jeweiligen Lebensumständen abhängig sind und eine Vielzahl unterschiedlicher Keime im Darm sesshaft werden lassen, die das typische Bakterienprofil eines Menschen determinieren.
Um das sich bildende Mikrobiom im Säuglings- und Kindesalter möglichst ungestört wachsen zu lassen, sollten in diesen Lebensjahren antibiotisch wirkende Substanzen mit großer Vorsicht verwendet werden. Zwar töten diese Medikamente die krankmachenden Keime ab, sie greifen aber auch das Mikrobiom an, und können es eventuell in einer ungesunden Form verändern, die der Gesundheit des Menschen auf eine andere Weise zusetzt.