Die Berliner Fashion Week im Januar dieses Jahres stellt wieder einmal das Thema der Anorexie bei Models, Designern und Modeagenturen zu Diskussion. In der Modeszene gilt ein schlanker und schöner Körper noch immer als Idealbild, das aber von vielen Jugendlichen fehlinterpretiert wird und zu Essstörungen führen kann.
Dies hat nicht nur für die Betroffenen, sondern häufig für die gesamte Familie erhebliche Auswirkungen, die mit psychischer Belastung des essgestörten Jugendlichen und großer Sorge der Eltern verbunden ist, weil die damit auftretenden skörperlichen Auswirkungen sich oft lebensgefährlich entwickeln können.
„Die Modewelt vermittelt ein Bild von Attraktivität und Leichtigkeit, das einen scheinbaren Weg zum großen Glück zeigt“, sagte Anke Lambrecht, Ärztin und Vorsitzende des Vereins „Dick & Dünn Nordwest“. Damit wird den Jugendlichen signalisiert, dass man mit einem dünnen Körper keine Probleme kennt; eine völlig unberechtigte Schlußfolgerung. Da es sich aber bei einem kontrollierten Nahrungsentzug um eine Bewältigungsstrategie mit körperlichen Folgen handelt, wird das Streben nach dem Schlankheitsideal zum äußeren Halt für die eigene innere Unsicherheit, betont Lambrecht. Oft gehen damit Depressionen und Zwangssymptome einher.
Eine Betroffene, die aufgrund einer psychischen Krise magersüchtig geworden ist, bestätigt, dass die Anorexie ein Anker ist, weil die permanente Beschäftigung mit der Nahrungsaufnahme viele andere Probleme ausblendet. Man hat das Gefühl einer Kontrolle, die in anderen Lebensbereichen oft fehlt.
Eine große Rolle spielen nicht nur die Models, sondern auch mediale Vorbilder und Fernsehsendungn, wie z.B. Germanys Next Topmodel, sagt Manuela Richter-Werling, die Geschäftsführerin des Vereins „Irrsinnig Menschlich“ in Leipzig. Aus dem anorektischen Verhalten erwachsen zusätzliche Risikofaktoren für die seelische Gesundheit, weil es kommt zu interfamiliären Problemen, und internen Störungen wie mangelndes Selbstvertrauen und überstarke Leistungsorientierung, mahnt Professor Wolfgang Gaebel als Vorsitzender des Aktionsbündnisses Seelische Gesundheit.
Es sollten daher möglichst frühzeitig psychotherapeutische Maßnahmen ergriffen werden, die eine Korrektur des mangelnden Selbstvertrauens und des gestörten Selbstbildes vornehmen. Werden die Patienten nicht behandelt, entsteht eine Vielzahl körperlicher Folgeschäden, die bei schweren Verläufen lebensbedrohlich sind.
Aus Studien geht hervor, dass mehr als ein Viertel aller Jugendlichen mit ihrer Figur unzufrieden sind und ihr Essverhalten zügeln. Mädchen sind von diesem Phänomen häufiger betroffen, so dass eine Anorexie betrifft nach Schätzungen der Experten inzwischen bis zu einem Prozent aller Kinder und Jugendlichen in Deutschland.